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• M B - Brasiliana USP

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oder Baumwollbinden um den Oberarm oder unter einem Knie oder über einem<br />

Fussgelenk trugen. Der eine oder andere Jüngling steckte sich auch eine Feder<br />

in das durchbohrte Ohrláppchen; aber man muss nicht glauben, dass der Indianer,<br />

wie auf den Schildern der Tabakláden, immer in seinem ganzen Festputz<br />

erscheint.<br />

Wohl aber mõchte ich über den allgemeinen Eindruck, den die «Nacktheit*<br />

auf den unbefangenen Besucher machte, an dieser Stelle ein Wõrtchen sagen. Diese<br />

bõse Nacktheit sieht man nach einer Viertelstunde gar nicht mehr, und wenn<br />

man sich ihrer dann absichtlich erinnert und sich fragt, ob die nackten Menschen:<br />

Vater, Mutter und Kinder, die dort arglos umherstehen oder gehen, wegen ihrer<br />

Schamlosigkeit verdammt oder bemitleidet werden sollten, so muss man entweder<br />

darüber lachen wie über etwas unságlich Albernes oder dagegen Einspruch<br />

erheben wie gegen etwas Erbãrmliches. Vom ásthetischen Standpunkt hat die<br />

Hüllenlosigkeit ihr Für und Wider wie alie Wahrheit: Jugend und Kraft sahen<br />

in ihren zwanglosen Bewegungen oft entzückend, Greisentum und Krankheit in<br />

ihrem Verfall oft schauderhaft aus. Unsere Kleider erschienen den guten Leuten<br />

so merkwürdig wie uns ihre Nacktheit. Ich wurde von Mánnern und Frauen<br />

zum Baden begleitet und musste mir gefallen lassen, dass alie meine Zwiebelschalen<br />

auf das Genaueste untersucht wurden. Für das peinliche Gefühl, das ich<br />

ihrer Neugier gegenüber zu empfinden wohlerzogen genug war, fehlte ihnen jedes<br />

Verstándnis; sie betrachteten andáchtig meine polynesische Tátowirung, zumal<br />

einen blauen Kiwi aus Neuseeland, waren aber zu meiner Genugthuung sichtlich<br />

enttãuscht darüber, dass sich unter der sorgsamen und seltsamen Verpackung<br />

nicht noch grõssere Wunder bargen.<br />

Sie selbst trugen ja auch etwas Kleideráhnliches bei Mummenschanz und<br />

Tanz, aus Palmstroh geflochtene Anzüge, deren Namen éti = Haus ist, und so<br />

erhielt mein Hemd den prunkvollen Namen »Rückenhaus«; ich hatte ein «Kopfhaus«<br />

und ein «Beinhaus«. Da die Frauen nicht tanzen und nur die Mánner in<br />

ihrem Flõtenhaus diese Anzüge gebrauchen dürfen, war Eva's Frage wohl nicht<br />

so unberechtigt, ob denn «karáiba pekóto«, die Frauen der Karaiben, auch<br />

Kleider, »Háuser«, trugen? — Mit welcher Schnelligkeit man sich bis in die Regionen<br />

des Unbewussten hinein an die nackte Umgebung gewõhnen kann, geht am<br />

besten daraus hervor, dass ich vom 15. auf den 16. September und ebenso in<br />

der folgenden Nacht von der deutschen Heimat trãumte und dort alie Bekannten<br />

ebenso nackt sah wie die Bakairí; ich selbst war im Traum erstaunt darüber,<br />

aber meine Tischnachbarin bei einem Diner, an dem ich teilnahm, eine hochachtbare<br />

Dame, beruhigte mich sofort, indem sie sagte: «jetzt gehen ja Alie so.«<br />

Der Zweck, den wir mit der Kleidung verbinden, blieb ihnen verborgen,<br />

daran konnte man nicht zweifeln, wenn man sah, in welch naiver Art sie Teile<br />

meines Anzugs, deren sie für eine Weile habhaft wurden, anlegten. Wie sollten<br />

sie auch sowohl von den Unbilden unseres Klimas ais von dem dritten Kapitel<br />

des ersten Buch Mose etwas wissen? Sie spielten mit meinen Kleidungsstücken

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