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• M B - Brasiliana USP

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— 298 —<br />

Jeder Stamm kannte die Lieder der Nachbarstámme, ohne dass er ihren Inhalt<br />

genau verstand, wie wir an zahlreichen Beispielen erfahren haben; ein Stamm<br />

lernte vom andern auch neue Arten Masken kennen, und endlich gewann das<br />

Mereschumuster, auf das ich nach Beschreibung der Masken zurückkommen<br />

werde, seine allgemeine Verbreitung.<br />

Dann aber ist es ferner leicht begreiflich, dass die Frauen von den feierlicheren<br />

Tánzen streng ausgeschlossen sind und das Flõtenhaus, das Haus der<br />

Mánner, wo die fremden Besucher empfangen und bewirtet werden, nicht betreten<br />

dürfen. In diesem Sinn ist wohl auch der eigentümliche Mummenschanz aufzttfassen,<br />

den wir im zweiten Bakairídorf erlebten, ais die Speisen und Getranke<br />

für unsere Flõtenhaus-Gesellschaft durch einen maskierten Indianer des ersten<br />

Dorfes von den Frauen, die sie nicht hatten bringen dürfen, geholt wurden. Vgl.<br />

Seite 89*). Dem Scherz lag das ernsthafte Motiv zu Grunde, dass Fremde und<br />

Frauen in ihrem Verkehr beschránkt werden sollen. Der Muhammedaner schlãgt<br />

den umgekehrten Weg ein, indem er seine Frauen maskiert und in besonderen<br />

Gemãchern abschliesst.<br />

In dem Ursprung der Tánze selbst liegt ferner ein wesentlicher Grund gegen<br />

die Teilnahme des weiblichen Geschlechts. Es sind »unweibliche« Vergnügungen,<br />

die aus Jãgerfesten hervorgegangen sind. Immerhin scheint es Unterschiede zu<br />

geben. Bei den grossen Festen beteiligen sich die Frauen niemals, sagten die<br />

Bakairí, wohl aber bei kleinen; auch sollen sie gelegentlich ohne Mãnner für sich<br />

tanzen. Die Suyá aber scheinen anders zu denken; wenigstens áusserten sich die<br />

Bakairí sehr geringschàtzig über den Unfug, dass dort »Mánner mit Frauen<br />

tanzten«. Vielleicht ist es nützlich, endlich noch hervorzuheben, dass von irgendwelchen<br />

Geheimnissen und Mysterien oder irgend einer besonderen Beziehung der<br />

Medizinmánner zu den Tánzen, die vor den Frauen geheim gehalten werden<br />

sollten, auch nicht die leiseste Spur zu finden war.<br />

Es ist auch zum Schutz gegen die weibliche Neugier, wenn die Eingãnge<br />

der Flõtenháuser am Kulisehu so niedrig gemacht sind, dass man nur in sehr<br />

gebückter Haltung eintreten kann oder gar auf den Knieen hineinrutschen muss.<br />

Ich weiss nicht, wie weit das Verbot für die Frauen im Alltagsleben praktisch<br />

durchgeführt wird, aber wir erhielten nicht die Erlaubnis, sie im Flõtenhaus zu<br />

messen, und gewiss ist, dass es hiess, »die Frauen wurden getõtet, wenn sie in<br />

das Flõtenhaus gingen« — eine ziemlich grobe Variante des »mulier taceat in<br />

ecclesia*. Dass der Gebrauch auch noch hei den zahmen Bakairí vor einigen 30<br />

oder 40 Jahren ernst genommen wurde, geht am besten aus einer Erfahrung<br />

hervor, die nach der Erzáhlung eines alten Brasiliers die das Christentum bringenden<br />

Patres machen mussten. Diese hatten nichts natürlicher gefunden ais die<br />

neue Gemeinde in dem für Kirchenzwecke so geeigneten, weil unbewohnten<br />

*) Aus Versehen ist an dieser Stelle ein Satz stehen geblieben, der einen lãngst von mir<br />

aufgegebenen Gedanken enthált - der Schlusssatz, dass vielleicht ein Zusammenhang mit dem Gebrauch<br />

des Alleinessens vorhanden sei.

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