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• M B - Brasiliana USP

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— 350 -<strong>•</strong><br />

viele Leute, so siedelte man auf die Erde über und der Himmel stieg dahin<br />

empor, wo er jetzt ist, und wo die Tiere, die Oertcr, die Sachen, die in den<br />

alten Geschichten vorkommen, noch heute zu sehen sind. »Alies ist geblieben,<br />

wie es war.« »Bakáírí hat es immer gegeben, aber im Anfang waren es<br />

sehr wenige.« Man muss nur an einigen bestimmtcn Punkten festhalten und<br />

man erkennt trotz aller Spiele der Phantasie und trotz aller Verarbeitung durch<br />

die Tradition einen Kern naiver, gesunder Logik in der Naturerklárung des<br />

Indianers.<br />

Die Indianer kennen kein Müssen. Sie betrachten jeden Vorgang in der<br />

Natur noch ais einnn Einzelvorgang oder richtiger ais eine Einzelhandlung. Gesetze<br />

sind ja auch in der That nur durch die gemeinsame Arbeit Vieler — solcher, die<br />

da leben und gelebt haben — zu erkennen. Und solange es keine Gesetze und<br />

hõchstens Gewohnheiten giebt, steht jeder Einzelne im Mittelpunkt der Weit, die<br />

nur die Gesamtheit seiner persõnlichen Eindrücke darstellt. Nicht die Naturerscheinung<br />

an und für sich mit ihren Bedingungen ist der Gegenstand des Nachdenkens,<br />

sondem der Eindruck, den man vor itir empfángt; eine Geschichte<br />

genügt noch, sie zu erkláren. Aus der Sprache erkennen wir denselben Zustand;<br />

jede Art hat ihren Namen, aber die Zahl der übergeordneten Begriffe ist áusserst<br />

gering. Gering ist also diè Zahl der Scheidewànde und Schubfácher und darum<br />

macht es nicht viel aus, wenn ein Ding aus dem einen Fach in ein anderes gerát.<br />

Es fállt entschieden auf, es ist etwas Besonderes geschehen, aber eine innere<br />

Unmõglichkeit ist nirgends vorhanden.<br />

Man gestatte einen Vergleich mit dem undeutlichen Sehen. Fern auf dem<br />

Waldweg bemerken wir etwas, was wir genau zu erkennen noch gar nicht in der<br />

Lage sind. Jeder sieht, was er zu sehen erwartet — einen Stein, ein Reh, einen<br />

Holzhaufen, eine Botenfrau, was weiss ich. Es regt uns an, wenn sich von den<br />

Gestalten im Wald auch eine vor unsern Augen in die andere verwandelt, aber<br />

— und da liegt der grosse Unterschied — wir glauben nicht an eine Verwandlung,<br />

sondem schlíessen, dass wir uns beim ersten Anblick getáuscht haben, weil wir unsere<br />

Wahrnehmung sofort den uns bekannten allgemeinen, jene Moglichkeit ganz ausschliessenden<br />

Gesetzen opfern. Doch kõnnen wir uns bei einer lebhaften Táuschung<br />

vielleicht vorstellen, dass unser Hindernis für unwissende Menschen nicht da ist.<br />

Ich hõrte von einem Fali, dass ein flüchtiger Negersklave verfolgt wurde, er lief<br />

in ein kleines Dickicht, einen Capão; man suchte ihn vergeblich und fand nur<br />

eine grosse Jabuti-Schildkrõte. Der Anführer der Leute nahm die Schildkrõte<br />

auf sein Pferd, liess sie aber unterwegs aus Furcht fallen und gab sie frei: die<br />

ganze Gesellschaft schwor darauf, der Neger habe sich in die Schildkrõte verwandelt.<br />

Dass man den Sklaven trotz emsigen Suchens nicht gefunden hatte,<br />

dass nur die Schildkrõte zu entdecken war, diese persõnliche Erfahrung entschied.<br />

Die Thatsache war einfach vorhanden; wenn sie ungewõhnlich war,<br />

so konnte man sie leicht dadurch erkláren, dass der Neger ein Hexenmeister<br />

gewesen war.

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