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• M B - Brasiliana USP

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Fleischverteilung 26. Márz. Eine tüchtige Verwaltung würde in der<br />

Art der Verteilung der Lebensmittel einen vortrefflichen Weg finden, um die<br />

Indianer an Ordnung zu gewõhnen. An gerechte Gleichmàssigkeit denkt aber<br />

Niemand weder beim Proviant noch bei den anderen Dingen. Alies Willkür.<br />

Die rohe Szene bei der Verteilung des tapíra, des Ochsen, deren wóchentlich<br />

etwa zwei geschlachtet werden und die im Matogrosso wahrlich ein billiges<br />

Lebensmittel darstellen, spottet jeder Beschreibung. Bequemer kõnnen es sich<br />

die Brasilier freilich nicht gut einrichten. Die Fleischstücke und zerhackten<br />

Knochen werden vor dem Haus auf einer Haut zu einem grossen Haufen übereinander<br />

geschichtet, die Indianer stehen, Mánner und Frauen und grõssere<br />

Kinder, zum Teil mit Kõrben bewaffnet, abwartend beiseite, einer der Kadetten<br />

giebt das Signal, und die ganze Gesellschaft stürzt sich wie ein Rudel Wõlfe auf<br />

das Fleisch und die Knochen. Es war ein so widerlicher Anblick, dass mir der<br />

Humor versagte, obgleich ein Kreis von Zuschauern das Schauspiel mit einigem<br />

Genuss in sich aufnahm. Namentlich fesselte der Idiot Dyapokuri, der Typus<br />

eines Kretin, die allgemeine Aufmerksamkeit; mit tierischer Wildheit erkámpfte<br />

sich der Blõdsinnige, der Deputierte des Mánnerhauses, drei gewaltige Stücke und<br />

schleppte sie mit triumphierendem Grunzen, wáhrend ihm der Speichel über den<br />

herabhángenden Unterkiefer troff, und mit glánzenden Augen von dannen. Wenn<br />

dies noch ein plumper Gelegenheitsscherz wãre, aber nein, es ist das regelmássige,<br />

ortsübliche Verfahren. Der Indianer wird dadurch zu Zustánden hinabgedrückt,<br />

die er in seinem Jãgerleben seit undenklichen Zeiten überwunden hat; ist es<br />

doch einer der Hauptzwecke des Instituts der Bari oder Medizinmánner (wie<br />

wir sehen werden), der Uneinigkeit bei Verteilung der Beute vorzubeugen, ein<br />

Problem, das diese allerdings dadurch losen, dass sie sich die besten Stücke sichern.<br />

Náchtliches Klagegeheul. Abend für Abend ertõnt aus mindestens<br />

vier oder fünf Hütten unausgesetztes Klagegeheul vereinzelter Frauen. Es sind<br />

Gattinnen der Mánner, die auf dem Jagdzug begriffen sind und in wenigen Tagen<br />

zurückerwartet werden. Bábela bobeia bá . baba éh. Tief in die Nacht hinein<br />

dauert das Klagen; es ist uns kaum mõglich einzuschlafen. Es hat aber einen<br />

sehr bestimmten Zweck. Die Frauen erkláren, sie erführen, wenn sie sich nachher<br />

zum Schlafen niederlegten, im Traum, wann ihre Mánner zurückkehrten. Sie<br />

wissen es dann am nãchsten Morgen. Augenblicklich sind sie mit diesem Thema<br />

um so mehr beschàftigt, ais die Frau eines der Abwesenden, des Indianers<br />

»Coqueiro« (Kokospalme), gerade gestorben ist. Im Mànnerhaus hatte man die<br />

rote Decke der Toten ausgebreitet, einen Topf und zwei Arbeitsmuscheln von<br />

ihr hinzugefügt; zwei Baris liessen einen langen Klagegesang erschallen, wãhrend<br />

sich eine Anzahl trauernder Frauen im Hintergrund hielt.<br />

Vespergebet. Um 8 Uhr Abends findet die »Reza«, das Vespergebet<br />

der Soldaten statt. Wir verfolgten den Hergang gestern genauer und stellten uns, ais<br />

der Hornist sein Signal gab, vor der Gefángnisthüre auf, um zuzuschauen. Allmáhlich<br />

fanden sich 32 Mann neben der immer vorhandenen Schildwache am Haupthause

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