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• M B - Brasiliana USP

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-- 34o —<br />

Kunst aus, so ist Nichts gewõhnlicher auch im Leben des Kulturmcnschen ab<br />

das Hexen, freilich ein unsystematisches, laienhaftes Hcxen. Wer tráumt, hext.<br />

Er ist nicht an den Ort und die Gestalt gebunden und ist zu beliebigcn Leistungen<br />

mit jeder Person oder Sache befàhigt. Lebhafte Spiele der Einbildungskraft sind<br />

nur quantitativ, nicht qualitativ vom Traumhexen unterschieden. Wer das Bild<br />

der Geliebten küsst, bereitet sich zum Hexen vor. Wer seinem fern weilenden<br />

Schatz durch die Luft einen Kuss zuwirft, macht sich der Hexerei schon dringend<br />

verdáchtig, denn es steht zu befürchten, dass er glaubt, der süsse Hauch erreiche<br />

die Adresse und werde dort empfunden. Wer aber, wie der grosse Zauberer<br />

Goethe seinem Famulus Eckermann, erklárt: »ich habe in meinen Jugendjahren<br />

Fálle genug erlebt, wo auf einsamen Spaziergángen ein máchtiges Verlangen<br />

nach einem geliebten Madchen mich überfiel und ich so lange an sie dachte,<br />

bis sie mir wirklich entgegenkam«, der hext schon nach»allen Regeln der Kunst.<br />

Vollstándig im Banne der echten Hexerei steht, wer auch nur eine Sekunde lang,<br />

wenn ihm die Ohren klingen, sich der Ueberzeugung hingiebt, dass man Gutes<br />

oder Schlechtes von ihm gesprochen habe, oder wer sich von seinem Freunde<br />

den Daumen halten làsst, damit ihm irgend etwas gelinge, oder wer seinen<br />

Wünschen die Kraft zutraut, den Ablauf angenehmer oder unangenehmer Geschehnisse<br />

zu beeinflussen.<br />

Unsere Indianer haben wie viele andere Naturvõlker die feste Ueberzeugung,<br />

die sich übrigens auf unserer Zivilisationsstufe noch bei Kindern und Betrunkenen<br />

und nicht nur bei ihnen beobachten lásst, dass sie im lebhaften Traum Wirklichkeit<br />

erleben; man geht auf die Jagd, schiesst Fische, fállt Báume, wenn man<br />

schláft, wãhrend der Kõrper in der Hãngematte bleibt. Bei den Bororó haben<br />

wir, wie ich berichten werde, erlebt, dass das ganze Dorf fiiehen wollte, weil<br />

Einer im Traum heranschleichende Feinde gesehen hatte. Die Bakairí lassen den<br />

»Schatten« des Menschen — was wir dann mit »Seele« übersetzen — im Traum<br />

umherwandern. (Vgl. auch über dies und Aehnliches das Paressí-Kapitel.)<br />

Antônio, den allein, zumal in den Cuyabáner Monaten, ich genügend studieren<br />

konnte, um die meisten der spáter folgenden Angaben zu gewinnen, hatte auch<br />

die besonders von den Malaien her bekannte Besorgnis, dass es gefáhrlich sei,<br />

einen Schlafenden plõtzlich zu wecken. Der »Schatten«, der vielleicht in fernen<br />

Gegenden wandert, kõnne nicht schnell genug zurückkehren, und der Schlafende<br />

werde in einen Toten verwandelt. Durch das Abhetzen des zurückeilenden<br />

Schattens erklãrte er zu meiner Ueberraschung auch die Kopfschmerzen, die man<br />

nach zu kurzem náchtlichen Schlummer bekomme. Wir dürfen den Indianern<br />

ihren rein auf die unmittelbare Erfahrung der Sinne gegründeten Glauben nicht<br />

so übel nehmen, wenn wir bedenken, dass es der hõheren spekulativen Philosophie<br />

gar nicht so einfach erscheint, zu bestimmen, ob das Leben ein Traum oder der<br />

Traum ein Leben sei, ob wir wãhrend des Wachens oder wáhrend des Schlafens<br />

Wirkliches erleben, und dürfen nicht vergessen, dass die Wirklichkeit nach dem<br />

Erwachen háufig volle Bestátigung bringt.

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