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• M B - Brasiliana USP

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— jo —<br />

Schwingungon wiegend. Gedanken hatte ich eigentlich nicht und das that wohl.<br />

Auch Sehnsucht hatte ich nicht nach den Genüssen, die uns daheim unentbehrlich<br />

scheinen. In meinem Pfeifchen und in meiner Kerze erschõpfte sich alies Be<br />

dürfnis nach Glück. Im Augenblick galt mir um Vieles mehr ais ein Seidel<br />

»Echtes« oder eine Flasche Rauenthaler die Kürbisschale frischen Bachwassers,<br />

die Carlos mir an die Hàngematte reichte; kaltherzig gedachte ich jener Dinge<br />

wie einer blassen Yergangenheit. Ich sagte mir, dass es die Stunde sei, wo man<br />

sich daheim zu Konzert, Theater, Gesellschaft begiebt. Und unversehens wusste<br />

ich mich selbst inmitten des Berliner Strassengetriebes, ich trat vor eine Litfasssàule,<br />

Ias die bunten Anschlàge von oben nach unten und ging lesend rund<br />

herum, aber mein Puls blieb ruhig, und es regte sich kein Zucken der Begehrlichkeit.<br />

Stillvergnügt bemerkte ich nur, dass ich kein Geld bei mir hatte, und dass<br />

meine Toilette für die Linden polizeiwidrig war; mit der Empfindung harmlosen<br />

Spottes schaute ich auf die Zeitungsverkãufer, die rollenden Wagen, die erleuchteten<br />

Lãden, die treibende Menschenmenge, gern kehrte ich zurück an meinen dunklen<br />

Urwaldfluss.<br />

Aber sind denn auch sie so leicht zu entbehren, fragte ich mich in meinem<br />

tràumerischen Dusel, sie, die unsere ganze Empfindungswelt beherrschen und beseelen?<br />

Eines wenigstens war gewiss: würde das Wunder geschehen sein, was<br />

nicht geschah, und hatten mich aus dem Gezweig urplõtzlich ein paar der<br />

blühendsten Lippen verführerisch angelàchelt — ich würde geraucht und freundlich<br />

um die Erlaubnis gebeten haben, weiter zu rauchen. Das Beste, folgerte ich,<br />

scheint es demnach zu sein, wenn wir mit der Erinnerung an feinere Genüsse ein<br />

stilles Glück in den allereinfachsten finden kõnnen; der Philosoph von Wiedensahl<br />

hat wieder einmal Recht: «Zufriedenheit ist das Vergnügen an Dingen, welche wir<br />

nicht kriegen«.<br />

Und dennoch, nur und allein um der braunen Bohnen oder der Wildnis<br />

und Stromschnellen willen würde ich Berlin nicht mit dem Schingú vertauscht<br />

haben; ohne einen hõheren Zweck, eine Hoffnung also, die in ernsten Kulturbegriffen<br />

wurzelt, würde auch die echteste Natur sehr bald wohl unausstehlich<br />

werden. Drollig genug, dass Unsereins von Deutschland herüberkommt und hier<br />

vielleicht sein kostbares Leben aufs Spiel setzt — um die Heimat der Karaiben<br />

zu suchen! »Was ist ihm Hekuba?« Was ist mir Cuyabá und Karáiba?<br />

Doch es giebt Probleme so verzwickt und unergründlich, dass man sie mit<br />

hungrigem Magen nicht zu lõsen vermag, und es war gut, dass Carlos vom Feuer<br />

her endlich seinen Triumphruf «Pronto« erschallen Hess. Die Bohnen standen angerichtet<br />

auf dem Boden, das Farinhasãckchen lag daneben, von dem eingerammten<br />

Holzspiess winkte wohlwollend noch ein Rest Mutung — mochten die Grillen im<br />

Walde weiter zirpen.<br />

Um 672 Uhr (10. September 1887) fuhren wir ab, begierig der Dinge, die<br />

nach den Vorzeichen des gestrigen Tages heute kommen wurden. Nach 20 Minuten<br />

mündete auf der rechten Seite ein Fluss in den unsern ein, ebenso stiller

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