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• M B - Brasiliana USP

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— 502 —<br />

Nun die Sitten des Mãnnerhauses. Die Brasilier behaupteten, es sei vorgekommen,<br />

dass 30 bis 40 Mánner hintereinander dasselbe Weib, das an Armen<br />

und Beinen festgehalten wurde, genõtigt hatten. Teilweise werden die Madchen<br />

am Tage offenkundig geholt und, wie beschrieben, unter vielen Schákereien bemalt<br />

und geschmückt, teilweise wurden sie am spáten Abend eingefangen. So<br />

sahen wir in einer Nacht, wie die vor dem Ranchão liegenden Junggesellen<br />

einen Angriff auf die von einer Klageversammlung heimkehrende Frauenschaar<br />

machten, zwei wurden unter lautlosem Ringen gefangen genommen, mit Decken<br />

umwickelt, sodass sie nicht zu erkennen waren, und in das Mànnerhaus geschleppt.<br />

Doch war die eine der beiden, wie wir am folgenden Morgen sahen,<br />

die an Erfahrungen reiche Maria, deren Stràuben nicht sehr ernst gemeint gewesen<br />

sein konnte. »Gestern hast Du Dich nicht verheiraten wollen ?« fragte<br />

ich. »Jetzt habe ich mich schon verheiratet«, antwortete sie gemütlich. Sie lag<br />

neben ihrem bevorzugten Mann in aller Behaglichkeit unter der roten Decke<br />

und beide knackten Palmnüsse. Moguyokuri sahen wir eines Tages die jungen<br />

Leute aneifern, die im Ringkampf so wilde und nun so demütige Maria zu<br />

schmücken. Sofort stürzten sich sechs auf sie zu und bemalten sie.<br />

Den Ranchãofrauen wurden von ihren Liebhabern Pfeile mit langen<br />

Bambusspitzen gegeben. Jeder überreichte zwei, die das Madchen hockend mit<br />

gleichgiltiger Miene in Empfang nahm. Ich záhlte, ais ich einmal anwesend<br />

war, 18 Stück solcher Liebespfeile für ein Madchen. Sie werden abgeliefert an<br />

den Bruder oder an den Bruder der Mutter. Die Ranchãomádchen verheiraten<br />

sich nicht mehr an einen Einzelnen; für etwaige Kinder gelten sámtliche Mánner<br />

des Ranchão, mit denen sie verkehrt hat, ais Váter. Das sind also ganz geregelte<br />

Verháltnisse, die aus der Uebermacht der Aelteren hervorgehen; diese<br />

leben im Besitz und beziehen aus den Madchen, die dem Mànnerhaus überlassen<br />

werden und wegen deren sich diese einigen mõgen, noch eine regelrechte Einnahme<br />

an Pfeilen oder auch Schmucksachen, wie z. B. die Hosentrágerschnüre<br />

ebenfalls ais Bezahlung gelten. Widernatürlicher Verkehr soll im Mànnerhaus<br />

nicht unbekannt sein, jedoch nur vorkommen, wenn der Mangel an Ranchãomádchen<br />

ungewõhnlich gross sei.<br />

Wie geordnet die Eigentumsverháltnisse sind, haben wir schon an dem<br />

Umstand gesehen, dass die Jagdbeute nicht in den Hãnden dessen bleibt, der<br />

sie erworben hat. Ein grosser Verlust betrifft die Familie, aus der ein Mitglied<br />

stirbt. Denn Alies, was der Tote in Gebrauch hatte, wird verbrannt, in den<br />

Fluss geworfen oder in den Knochenkorb gepackt, damit er keinesfalls veranlasst<br />

sei, zurückzukehren. Die Hütte ist dann vollstàndig ausgerãumt. Allein die<br />

Hinterbliebenen werden neu beschenkt, man macht Bogen und Pfeile für sie und<br />

so will es auch die Sitte, dass, wenn ein Jaguar getõtet wird, das Fell »an den<br />

Bruder der zuletzt gestorbenen Frau oder an den Oheim des zuletzt gestorbenen<br />

Mannes« gegeben wird; ais der berufene Schützer der Frau trat uns immer ihr<br />

Bruder entgegen. Pfeile sind das wichtigste Wertobjekt; sie erhàlt der Bruder

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