04.09.2013 Aufrufe

radu m|rculescu - Memoria.ro

radu m|rculescu - Memoria.ro

radu m|rculescu - Memoria.ro

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 7<br />

Opern, Operetten, Musikrevues und zu guter Letzt imp<strong>ro</strong>visiert er auch ein<br />

Maleratelier. Er macht aus seinen Freunden Dekorateure, Kostümbildner,<br />

Schauspieler, während ein anderer Kollege ganz allein jeden Tag die<br />

Lagerzeitung „Hidra“ verfasst, die er gleich selber auch verteilt. All diese<br />

Tätigkeiten erfolgen nicht in einem privilegierten Regime, sondern in einem der<br />

Aushungerung, des Gulags, mit all dem, was dieser voraussetzt.<br />

Das war die erste Entdeckung Radu M\rculescus im „Ochsenwaggon“:<br />

Die Kultur kann ein Heilmittel sein gegen den Tod. Die Menschen wurden in die<br />

Waggons ohne Wasser, ohne Nahrung, ohne Licht, ohne Luft übereinander<br />

geworfen, ausgehungert, derart geschwächt, dass sie nicht einmal Kraft zu<br />

stöhnen hatten. Und da gaben sie den Kampf mit dem Tod auf: Bei jedem Halt<br />

wurden die Leichen aus dem Zug geworfen. Urplötzlich hat Radu M\rculescu<br />

eine unerwartete Intuition. Er beginnt, den „Aufstand” von Rebreanu zu<br />

erzählen 8 . Beim nächsten Halt gab es in ihrem Waggon keine einzige Leiche. „Es<br />

stirbt niemand mehr“, stellt der Autor fest.<br />

Außer Talent (denn er verfügt auch über literarisches Talent), Haltung,<br />

Würde und all dem, was er brauchte, um nicht nur der Gefangenschaft in<br />

Russland die Stirn zu bieten, sondern auch – als er repatriiert wurde – dem<br />

Gefängnis daheim, besitzt Radu M\rculescu auch ein die Zeit beherrschendes<br />

Gedächtnis. Dank demselben werden unzählige der Anonymität anheim<br />

gefallene Namen jetzt wieder zu historischen Personen.<br />

Man ist geneigt zu glauben, der Autor und Zeuge habe vergessen zu<br />

altern, gerade um uns als Vorbilder diese Menschen vorzuschlagen, die in<br />

äußerst widrigen Umständen ihre Nächsten „zu lieben gelernt haben“. Und wo<br />

dies? In einem Repressionssystem wie dem Gulag, dessen Grundlagen Hass,<br />

Verrat und Denunziation sind!<br />

Monica Lovinescu (geb. 1923) ist Schriftstellerin, Literaturkritikerin und<br />

Journalistin. Lebt seit 1947 in Frankreich. Langjährige Mitarbeiterin von RFI und<br />

Free Eu<strong>ro</strong>pe.<br />

Der vorliegende Beitrag ist eine Rezension zur Erstausgabe des Buches Radu<br />

M\rculescus (2007 erschien eine zweite, ergänzte und überarbeitete Ausgabe)<br />

erschienen in der Wochenzeitschrift Rom=nia literar\ vom 11 April 2001.<br />

8 „R!scoala“ („Der Aufstand“), Roman von Liviu Rebreanu (1885-1944), 1932 erstveröffentlicht wurde<br />

und 1962, in der Übersetzung von Thea Constantinidis, im Volk und Welt Verlag erschien.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!