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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 83<br />

18. DIE SCHMERZLICHE TRENNUNG<br />

Am Tag darauf kamen zwei Zuggarnituren an, jede davon mit eigener<br />

Bewachung. Zwei Garnituren – das bedeutete zwei Richtungen, zwei Schicksale.<br />

In der einen, größeren, sollten die Truppensoldaten an ein unbekanntes<br />

Ziel, wohl in den Ural, nach Sibirien, an den Polarkreis gebracht werden, mit<br />

ihren Bergwerken und Schwerarbeitslagern und wenig Überlebenschancen.<br />

Die andere Garnitur war für uns Offiziere und hatte ein spezielles Lager<br />

zum Ziel. Dieses „Spezielle“ des Lagers aber <strong>ro</strong>ch mir nicht besonders gut.<br />

Unsere TTR-Leute 36 Radu Popescu, Tiberic\ Dragomirescu, Weiss (den wir ohne<br />

Umschweife in Albu tauften, um seine siebenbürgisch-sächsische Herkunft zu<br />

vertuschen) und andere gaben wir als Offiziere aus. Sie blieben bei uns. Nur<br />

Cre]u lehnte ab, indem er mir sagte, er ändere sein Schicksal nicht.<br />

„Ich gehöre zur Truppe, bei der Truppe bleibe ich auch. Und dann gibt es<br />

unter den Offizieren genug Leute, die Russisch können, während unsere Jungs<br />

nur mich haben. Ich bleibe bei ihnen. Und wenn sie uns – wie man hört – nach<br />

Sibirien bringen, vielleicht habe ich das Glück, meinen Eltern zu begegnen.”<br />

„Gut, Cre]u, mach, was dein Herz dir befiehlt. Gott helfe dir!”<br />

Der ganze Tag verging mit der Aufteilung auf die beiden Kategorien,<br />

Offiziere und Truppensoldaten, mit der Abzählung, den Formalitäten der<br />

Übergabe und Übernahme, so dass man erst gegen Abend die Teilung endgültig<br />

fertig hatte. T<strong>ro</strong>tz aller strikten Befehle, ja nicht die Formationen zu verlassen,<br />

schlichen sich meine Jungs, allen voran Ivan und Cre]u, durch die Reihen<br />

hindurch und kamen, um sich von mir zu verabschieden. Wir wussten alle, dass<br />

wir uns zum letzten Mal sahen, und mit Tränen in den Augen umarmten wir<br />

einander. Da kam auch unser Infanterist, den die Kugel in den Mund get<strong>ro</strong>ffen<br />

hatte, das Subjekt unseres Gelübdes Gott gegenüber. Wir sollten den<br />

Verwundeten retten, und ER uns alle. Beide Seiten hatten wir unsere Aufgaben<br />

erfüllt. Er war komplett wiederhergestellt, bis aufs Sprechen. Die Augen mit<br />

Tränen gefüllt versuchte er, meine Hand zu ergreifen, um sie zu küssen. Aus<br />

seinem Gekeuche heraus spürte ich, jenseits aller ungesagten Worte, einen<br />

warmen Strahl der Dankbarkeit hervorbrechen, dafür, dass ich sein Leben<br />

gerettet hatte.<br />

Wie hätte ich ihm denn erklären können, dass auch er ja gewissermaßen<br />

meines sowie das Leben meiner Jungs gerettet hatte, indem er uns eine Aufgabe<br />

geschaffen hatte, die uns aus unserem egoistischen Ich riss, in dessen<br />

Verschlossenheit der Tod lauerte. Wie hätte ich ihn denn davon überzeugen<br />

können, dass wir ihn und das Wunder seines Überlebens wie eine Botschaft von<br />

Gott dem Herrn selber aufgenommen hatten, der uns dazu aufrief, uns zu retten,<br />

indem wir unsere Nächsten retteten? Da mir die Erklärungen fehlten, drückte ich<br />

ihn an meine Brust und wünschte ihm, das Ende des Leidensweges heil zu<br />

36 TTR: Tîn!r cu termen redus: Jugendlicher mit reduzierter Dienstzeit.

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