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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 362<br />

annektieren oder kaufen ließen, sondern um jene der Vereinten Nationen, der<br />

Vereinigten Staaten von Amerika, G<strong>ro</strong>ßbritanniens, Kanadas, Australiens usw.<br />

Seriöse Staaten, die immerhin ihre Unterschrift unter diese Karikatur von einer<br />

juridischen Urkunde gesetzt haben. Wie konnten sie sich denn als Juristen für so<br />

etwas hergeben, diesen Ehrverlust hinnehmen, indem sie diese billige<br />

sowjetische Spitzfindigkeit akzeptierten? Sind sie denn jemals – seit Ramses<br />

dem II., seit man das erste diplomatische Dokument kennt – einer Urkunde<br />

begegnet, in der statt eines sicheren Datums zur Erfüllung einer vertraglichen<br />

Verpflichtung eine derart vage und unverantwortliche Formulierung wie diese<br />

stand, so schnell wie möglich, deren Interpretierung gerade denen überlassen<br />

wird, die zur Umsetzung verpflichtet sind? Entweder, oder: Entweder kennen<br />

diese Herren nicht mehr Jurisprudenz als ein Dorfnotar – der niemals seine<br />

Unterschrift unter eine solche rechtliche Misere gesetzt hätte, oder aber sie<br />

haben uns schlichtweg verkauft. Da ich aber die Hypothese von ihrer<br />

Inkompetenz nicht akzeptieren kann, sehe ich mich gezwungen, letztere zu<br />

akzeptieren. Ja, sie haben uns verkauft… und wer weiß, für wie viele Jahre…<br />

Denn dies ist das einzige, worauf sich die Herren verstehen: zu verkaufen…<br />

Was? … Länder, Völker, Gruppen von Armseligen wie wir, die wir von<br />

niemandem erwünscht und gefordert werden und vom eigenen Staat<br />

zurückgewiesen werden… Fazit: Wir sind verkauft worden!“, setzte Alecu<br />

schneidig und streng logisch seinen Schlusspunkt hinter diese dunkle<br />

Angelegenheit.<br />

„Ich glaube, du übertreibst mit deinem Pessimismus“, griff schließlich,<br />

nach einem bedrückenden Schweigen, Major Deciu, genannt Ticu]u, ein. Er war<br />

ein Generalstabsoffizier mit Kuckuck 153 , wie wir diese im Spaß nannten, der<br />

innerhalb unserer Oranki-Gruppe zu den Moderaten gehörte. „Der «Teufel» ist<br />

lang nicht so schwarz, und auch diese Formel «kak» oder wie es denn nun da<br />

heißt, scheint mir keine Katast<strong>ro</strong>phe“, fuhr Ticu]u fort, „wir hier jedoch haben es<br />

uns angewöhnt, alles, was diese unsere traditionellen Verbündeten in Sachen<br />

Sowjetunion machen, argwöhnisch zu betrachten, gerade so als wären wir<br />

gescheiter als Churchill, Atlee oder Truman.“<br />

„Wir sind nicht gescheiter als jene, die Sie aufgezählt haben, sondern<br />

besser positioniert als sie, haben uns mehr als sie an den Sowjets aufgerieben,<br />

wir sind eher als sie in der Lage, deren Gedanken und Taktik zu kennen“,<br />

unterbrach ihn Tr\istaru. „Was dieses Kak moschna skerej betrifft, das Sie nicht<br />

ängstigt, lassen wir doch die Zeit uns zeigen, wie viele Jahre verlängerte<br />

Sklaverei für jeden von uns hier diese abwegige Formel bedeuten wird.“ Und<br />

tatsächlich hatte der vermaledeite Mund Alecus, diese Kassandra unserer<br />

Gefangenschaft, schon wieder wahr gesp<strong>ro</strong>chen. Wenn wir die Zeit ausrechnen,<br />

die seit dem Friedensschluss (10.02.1947) bis zu unserer Repatriierung<br />

(15.12.1950) verstrich, bedeutete dieses „so schnell wie möglich“ für die beiden<br />

Gesprächspartner Tr\istaru und Deciu genau so wie auch für viele andere von<br />

uns 3 Jahre, 10 Monate und 5 Tage. Für andere wieder noch mehr, bis zu 4 und<br />

6 Jahre, und für einige sogar eine Ewigkeit, denn unterdessen starben ja auch<br />

noch welche. So also brachte diese perfide sowjetische Formulierung, die in<br />

153 Die Generalstäbler trugen ein Abzeichen mit einem Adler, das i<strong>ro</strong>nisch „Kuckuck“ genannt wurde.

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