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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 252<br />

hätte auch sein Hemd hergegeben, fehlte dieses seinem Gegenüber. Aber so,<br />

wie er es verstand zu geben, wusste er auch zu fordern; nicht für sich, natürlich,<br />

sondern für die Sache, für die Karzerinsassen. Und niemand sagte nein. Er war<br />

der G<strong>ro</strong>ßmeister der G<strong>ro</strong>ßzügigkeit. Von ihm haben viele zu schenken gelernt.<br />

Die gleiche Spreutrennung, die er bei Dingen vornahm, indem er alles wegwarf,<br />

was nicht strikt notwendig war, vollzog er auch im Bereich der Ideen und warf<br />

alles weg, was konventionell und falsch war, auch wenn es sich dabei um<br />

„Tabus“ handelte. Er hasste alles „Konventionelle“ und mit seiner polemischen<br />

Verve warf er die Ehrbarkeit vieler gestandener Ideenpositionen über den<br />

Haufen. Er war ein unbequemer Debattierer, ja sogar ein gefährlicher, nämlich<br />

vor allem dann, wenn er auf Personen stieß, welche durch Amt und Rang als<br />

Vorbild für das Verhalten der Mehrheit hätte dienen müssen, die aber dem nicht<br />

nachkamen. Es ging um die hochrangigen und ordensschweren Offiziere, von<br />

denen sich einige kläglich benahmen.<br />

Ich erinnere mich an einen Oberst, ein heruntergekommener Mann, den<br />

R. dabei ertappte, wie er einen Tschassowoj um eine Kippe anbettelte. Dieser,<br />

pervers genug, spuckte diese auf den Boden und zerdrückte sie mit dem Stiefel.<br />

Der Oberst hob sie auf, formte sie zurecht und, da sie noch brannte, ging er dazu<br />

über, kräftig daran zu ziehen. Das reichte aber R. „Also, bitte, Herr Oberst, ist<br />

das denn die «Offizierswürde!, von der sie uns in den Erziehungsstunden so viel<br />

erzählt haben?“<br />

Seine sozialistische Vergangenheit, wenn wir denn eine Zeitspanne der<br />

jugendlichen Begeisterung und G<strong>ro</strong>ßzügigkeit so nennen können, brachte ihm<br />

viele Nachteile in seiner Beziehung zur Politik. Man weiß nicht, wer den<br />

Kommissar davon unterrichtet hatte, dass er linke Ansichten vertreten habe. (R.<br />

verdächtigte Lauren]iu Fulga 119 , der auch Gefangener in Oranki war, den er gut<br />

aus dem Zeitungsbetrieb kannte und den er vergeblich aus dem<br />

antifaschistischen Lager, dem dieser sich angeschlossen hatte, loszueisen<br />

versucht hatte.) Der Kommissar, mit dem Hintergedanken, einen bedeutende<br />

Fang zu machen, sollte es ihm gelingen, einen dermaßen angesehenen Kopf<br />

anzuwerben, versuchte nun seinerseits, R\ducanus linke Gefühle von einst<br />

wieder zu beleben, indem er ihn nach dem Zapfenstreich Nacht für Nacht zu sich<br />

rief und ihn bis morgens früh in endlose Diskussionen verwickelte, in denen die<br />

verlockendsten Versprechungen und die schrecklichsten D<strong>ro</strong>hungen einander<br />

abwechselten. Diese Bestellungen nach Mitternacht zum Kommissariat, zu einer<br />

Stunde also, zu der gewöhnlich die Denunzianten hinbestellt wurden, um ihren<br />

Bericht abzugeben, verfolgten, in den Reihen der Gefangenen Misstrauen<br />

gegenüber seiner moralischen Integrität zu wecken. Ich brauche nicht zu<br />

erwähnen, dass dieser Trick keinerlei Anklang fand unter denen, die R. nur allzu<br />

gut kannten, um auf diese g<strong>ro</strong>be Weise übertölpelt werden zu können. Dafür<br />

aber gefährdeten diese Nacht-für-Nacht-Verhöre bis ins Morgengrauen (wonach<br />

das Arbeitsp<strong>ro</strong>gramm folgte), Tag für Tag, ohne Schlaf, ohne Ruhe ernsthaft<br />

seine psychische Gesundheit, und R\ducanu, der sich der Gefahr bewusst war<br />

(Depression, gefolgt von Wahnsinn), weigerte sich schlichtweg, weiterhin zu den<br />

Untersuchungen zu gehen, und ließ dem Kommissar mitteilen, er möge ihn,<br />

119 Lauren"iu Fulga (1916-1984) wurde nach dem Krieg als P<strong>ro</strong>saautor bekannt.

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