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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 45<br />

möglich sein, dann konnte diese nur noch eine individuelle oder eine für kleine<br />

Gruppen sein, die es schafften, zwischen den feindlichen Formationen hindurch<br />

zu schlüpfen, vor allem durch die dünneren, die im Rücken lagen. Im Schutze<br />

des Dunkels und des Nebels, zur Not auf dem Bauch dahin<strong>ro</strong>bbend, so konnten<br />

wir es mit etwas Glück vielleicht schaffen. Nun gut, dies Quäntchen Glück fehlte<br />

uns. Als es Nacht wurde, installierte sich ein F<strong>ro</strong>st, der den Nebel verscheuchte,<br />

und auf dem glasklaren Himmel erschien ein strahlender Vollmond, der im<br />

Zusammenspiel mit dem blendenden Weiß des Schnees die Nacht zum Tag<br />

machte. Die ganze Nacht über erkundete ich mit den paar Männern, die ich mir<br />

ausgewählt hatte (den Rest hatte ich in kleine Gruppen aufgeteilt, jede mit ihrem<br />

eigenen Glück), die Rückseite zur rechten Flanke hin, auf der Suche nach einer<br />

weniger bewachten Stelle, eines Loches, wie klein auch immer, in Iwans<br />

B<strong>ro</strong>tsack 27 , durch das wir hätten schlüpfen können. Überall spürten sie uns auf<br />

und empfingen uns mit Feuer, obwohl wir uns auf allen Vieren fort bewegten.<br />

Beim letzten Versuch, als wir glaubten, es geschafft zu haben und uns<br />

aufgerichtet hatten, hob aus einem ungeahnten Unterstand ein kräftiger<br />

Russenbursche Kopf und Maschinenpistole. «PREDAITI RUMÄNSKI!» 28 , rief er<br />

befehlend, und gleichzeitig erklang aus dem Unterschlupf eine rumänische<br />

Stimme mit bessarabischem Akzent: «Kommt, Brüder! Hier ist’s gut, die Russen<br />

haben uns Machorka und Vodka gegeben. Habt keine Angst!»<br />

Die Lage war dramatisch. Ergaben wir uns nicht, würden sie uns<br />

niedermetzeln mit den MPs. Ergaben wir uns, hatte ich, als Offizier, alle<br />

Chancen, im Unterstand erschossen zu werden. Wir befanden uns etwa 50<br />

Meter entfernt von ihm. Wir zählten nicht mehr als zehn Leute. Glücklicherweise<br />

befand ich mich unter den Schlussmännern.<br />

«Geht!», befahl ich ihnen. «Ich kehre zu den anderen zurück. Gott sei mit<br />

euch! Los, ausführen!». Die Jungs warfen die Waffen von sich und hoben die<br />

Hände. Ich ging auch mit los, mit kleinen Schritten. Als ich sah, dass der Russe<br />

den Kopf zum Unterschlupf hin wendete, um denen, die sich dort unten<br />

verbargen, etwas zu sagen, warf ich mich zur Erde und <strong>ro</strong>llte durch den Schnee,<br />

bis ich eins mit ihm wurde. Dann, als ich eine Stelle des Terrains erreichte, an<br />

der ich mich nicht mehr im Schusswinkel derer vom Unterstand befand, erhob ich<br />

mich auf alle Viere und sah, dass ich so schnell wie möglich in ein<br />

Weidenwäldchen gelangte, wo sich Reste unsrer Batterie verborgen hielten –<br />

Pferde, Wagen, Menschen.<br />

Diese, erschöpft und entmutigt von einigen missglückten<br />

Ausbruchsversuchen, waren zurückgekehrt, sich in Gottes Hände gebend.<br />

Deprimiert kam auch Sergeant Ivan mit seiner kleinen Gruppe an, die bei dem<br />

Versuch, durchzubrechen, einen Mann verloren hatte.<br />

Hinter unsere Weiden hatten sich auch andere versprengte Soldaten<br />

versteckt, Infanteristen, Pioniere, Kavalleristen. Alle waren sie, genau wie auch<br />

wir, die ganze Nacht über herumgeirrt, vergeblich ein Schlupfloch aus dieser<br />

Mausefalle suchend.<br />

27 Anspielung auch an das Märchen „Ivan Turbinc!“ von Ion Creang! (1837-1889).<br />

28 Ergebt euch, Rumänen!

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