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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 524<br />

einmal Gelegenheit hatten, die Nase aus dem Stacheldrahtpferch von Bragadiru<br />

herauszustrecken? Womit rechtfertigten „sie“ denn, unsere „Landsleute“, die das<br />

Steuer des Landes in den Händen hatten, diese Repressionsmaßnahmen gegen<br />

uns, die wir ihnen gegenüber uns nichts hatten zu Schulden kommen lassen?<br />

Lauter Fragen, die wie Blitze der Empörung und Revolte aus uns aufstiegen.<br />

Klare Sache, … sie besaßen keinerlei Rechtsgrund für diese urteilslose<br />

Verurteilung. Die Erklärung (nicht auch die Rechtfertigung), die sie hätten<br />

vorbringen können (hätten sie denn noch über einen Funken Ehre verfügt, um<br />

die Wahrheit anzuerkennen), hätte sein können, dass so die Anweisungen aus<br />

Moskau lauteten… Uns zu sanktionieren für die Niederlage, die wir dem G<strong>ro</strong>ßen<br />

Bruder zugefügt hatten, indem wir ihn durch den g<strong>ro</strong>ßartigen Hungerstreik von<br />

Oranki zwangen, uns zu repatriieren. So etwas konnte der G<strong>ro</strong>ße Bruder nicht<br />

verzeihen. Aber die Impertinenten eigenhändig bestrafen konnte auch er nicht.<br />

Da kamen ihm g<strong>ro</strong>ße internationale Angelegenheiten in die Quere. Er muss aber<br />

gerächt werden für den ihm zugefügten Prestigeverlust, und diese Ehrenaufgabe<br />

kam dem Kleinen Bruder aus Bukarest zu, der all diese Anstifter in der Hand hat.<br />

„Letztendlich haben wir durch unsere Aktionen zur G<strong>ro</strong>ßen Aktion<br />

beigetragen, wodurch die «Genossen! aus der gesamten Sowjetunion einige<br />

tausend Rumänen repatriieren mussten. Dies ist nichts, was wir geheim halten,<br />

ja, darauf sind wir sogar stolz“, griff Nae Cojocaru ein. „Jemand muss für all<br />

diese Ärgernisse zahlen. Und die Rechnung müssen nun wir begleichen, die wir<br />

als letzte das Hotel verlassen. Wozu also all die Aufregung?“ schloss er mit<br />

seinem bekannten Galgenhumor.<br />

Aber die Perspektiven, die sich uns eröffneten, blieben t<strong>ro</strong>tzdem düster,<br />

unkompatibel mit dem Humor. Die Mehrheit von uns hatte neun Jahre<br />

Gefangenschaft auf dem Buckel, davon einige Männer etwa zwei Jahre in der<br />

Polarhölle von Workuta verbracht hatten. Und nun sollten uns weitere (wie viele<br />

denn?) Jahre schrecklicher Zwangsarbeit unter den Knüppelschlägen der<br />

Wachposten am Kanal aufgebürdet werden! Herr, glaubst Du denn nicht auch,<br />

dass Du den Bogen unserer „Prüfung“ allzu sehr gespannt hast? Soll denn unser<br />

ganzes Leben nichts als Heimsuchung und Leid sein? Lässt Du uns denn nicht<br />

mehr mindestens für einen Moment aufatmen? Und diese meine Mutter, sollte<br />

sie es denn aushalten bis zu meiner Freilassung, um mich wieder sehen zu<br />

können? Sie wusste, dass ich hier war, so nahe, und dass ich jeden Moment<br />

auftauchen konnte. (Die letzten Nachrichten von mir hatte ihr Tase T\lp\[eanu<br />

vor zwei, drei Wochen überbracht, als er frei gelassen worden war.) Wie würde<br />

sie den Schlag meines neuen Aufbruchs ins Unbekannte aufnehmen?<br />

Tags darauf waren im Pferch keinerlei Anzeichen zu bemerken, die einen<br />

Aufbruch hätten bestätigen können. Abends aber, nach dem Zapfenstreich, kam<br />

der Quästor, der mit seinem Mann ein geheimes Treffen gehabt hatte, an mein<br />

Bett, um mir die neuesten Nachrichten mitzuteilen.<br />

„Wir werden so gut wie sicher ab morgen früh aufbrechen. Einige von uns<br />

nach Hause – ich sage nicht Richtung Freiheit – und andere an den Kanal. Auf<br />

die Liste derer, die freigelassen werden, wurden noch drei Namen gesetzt:<br />

Mircea Bl\naru, Nae Cojocaru und... Du... Wir, die übrigen, werden am Abend<br />

aufbrechen.... an den Kanal.” Ich war von dieser unerwarteten Wende in meinem<br />

Schicksal völlig überrascht.

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