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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 366<br />

Nimm mich in die Arme und verbirg mich gut!“ 159 Der Arme! Er war nicht für’s<br />

Kreuz geschaffen. Und entfloh ihm.<br />

Jeden Fall eines Koryphäen unsere Kultur, sei es nun Sadoveanu 160 ,<br />

C\linescu 161 oder Camil Petrescu 162 , empfand ich wie einen Messerstich in den<br />

Rücken. Denn jeder Überlauf dieser G<strong>ro</strong>ßen mit Sack und Pack ins Feindeslager<br />

schwächte irgendwie unsere eigene Position. „Was denn” – es ist, als hörte ich<br />

sie auch heute noch, unsere Verleugner – „seid ihr denn mehr als ein<br />

Sadoveanu, ein Arghezi?”<br />

Und obwohl alle Nachrichten von zu Hause schlecht waren – die für uns<br />

guten wurden wegzensiert – wir konnten nicht ohne sie auskommen und setzten<br />

uns ohne jeglichen Zwang von außen jeden Abend masochistisch all den<br />

Schreckenstaten aus, die uns Cotea, Burckhardt oder Gavalicov im trüben Licht<br />

der Glühbirne aus der Presse als Errungenschaften oder Siege des<br />

triumphierenden Sozialismus vortrugen, all das, was in unserem Land passierte,<br />

und am schlimmsten waren die „Abdankungen”.<br />

T<strong>ro</strong>tzdem konnte man aus diesen Berichten auch Hoffnung schöpfen,<br />

nämlich aus dem, was ausgelassen wurde. Es war gewiss, dass diejenigen<br />

Kulturgrößen, die in der Presse nicht erwähnt wurden, den beschmutzenden<br />

Gewissensvereinnahmungen, die von der Macht auf nationaler Ebene verfolgt<br />

wurden, widerstanden. Einer dieser Namen, für den ich zu Gott betete, um ihn ja<br />

nicht zu hören und den ich tatsächlich bis zum Schluss der Gefangenschaft nicht<br />

zu hören bekam, war jener Vasile Voiculescus, mein Lieblingsdichter, über<br />

dessen Lyrik ich 1940 eine kritische Studie verfasst hatte, die in zwei Ausgaben<br />

der Zeitschrift Preocup\ri literare erschienen. Es ist wohl verständlich, dass es<br />

mir wehgetan hätte, hätte er „abgedankt”. Ich begegnete ihm daheim gleich nach<br />

meiner Repatriierung (1951) im Hause eines gemeinsamen Freundes und dankte<br />

ihm innigst dafür, dass wenigstens er mich nicht enttäuscht hatte. Ich sagte ihm<br />

auch, dass ich in allen Karzer- oder Gefängniszellen, in die ich gelangte, mit<br />

einem Nagel oder mit den Fingernägeln seine Verse in die Wand geritzt hatte,<br />

damit sie auch denen nach mir Kraft spenden mögen.<br />

159 „Am fugit de pe cruce. Ia-m! în bra"e #i ascunde-m! bine!”<br />

160 Mihail Sadoveanu (1880-1961) gehört zu den g<strong>ro</strong>ßen rumänischen Erzählern des 20. Jahrhunderts. Nach<br />

der Machtergreifung durch die Kommunisten ließ er sich total vereinnahmen und wurde Vizevorsitzender<br />

des Präsidiums der G<strong>ro</strong>ßen Nationalversammlung, Vizevorsitzender des Präsidiums der Akademie der<br />

Rumänischen Volksrepublik, Vorsitzender des Schriftstellerverbandes der RVR und Vorsitzender des<br />

Permanenten Komitees für die Verteidigung des Friedens der RVR…<br />

161 George C!linescu (1899-1965) gilt als einer der größten rumänischen Literaturhistoriker und -kritiker,<br />

machte sich jedoch auch als Erzähler einen Namen. Nach 1945 war er P<strong>ro</strong>fessor an der Bukarester<br />

Universität und leitete mehrere Zeitschriften. Seinen Reisen in die Sowjetunion (1948) und nach China<br />

(1953) ließ er lobende Bücher folgen.<br />

162 Camil Petrescu (1894-1957) war Erzähler, Dramatiker, Dichter und Essayist, der vor allem durch seine<br />

Romane Ultima noapte de dragoste, prima noapte de r"zboi (Letzte Liebesnacht, erste Kriegsnacht, 1930)<br />

und Patul lui P<strong>ro</strong>cust (Das P<strong>ro</strong>kustesbett, 1933) berühmt wurde. 1948 wurde er Mitglied der Rumänischen<br />

Akademie.

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