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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 454<br />

entdeckte ich zu meiner g<strong>ro</strong>ßen Überraschung und Freude meinen guten Freund<br />

Tase T\lp\[eanu, der 1945 (jetzt hatten wir 1949) aus unserer Mitte gerissen<br />

worden war und in einem schrecklichen Winter alleine auf eine Irrfahrt durch eine<br />

Menge Lager und Untersuchungsgefängnisse geschickt wurde, all dies aufgrund<br />

einer unsinnigen Anklage, die letztlich fallen gelassen wurde. Allein schon die<br />

Geschichte seines Leids in diesem kafkaesken Universum der NKWD-<br />

Untersuchungen, der physischen Druckausübungen, all der Karzer des weißen<br />

Todes und der psychischen und moralischen Hetze, die einen in den Wahnsinn<br />

oder in den Selbstmord treiben können, könnten ein Buch für sich ergeben.<br />

Deswegen werde ich nicht näher darauf eingehen, wohl aber das weitererzählen,<br />

was er mir von dem Hungerstreik von Oranki-M=n\st=rka im Februar 1948<br />

berichtete, der dazu führte, dass die Mehrheit unserer Offiziere in der ersten<br />

Hälfte des Jahres repatriiert wurden.<br />

Von Tase T\lp\[eanu, der am Ende seiner Irrfahrt zurück nach Oranki<br />

gebracht worden war und am Streik teilgenommen hatte, erfuhren wir erst jetzt,<br />

ein Jahr später, von Ereignissen, die uns gänzlich unbekannt waren. Was mich<br />

von dem, was er berichtete, frappierte, war die äußerst aufmerksame und<br />

minutiöse Vorbereitung der Aktion. Die Analyse des Scheiterns unseres ersten<br />

Hungerstreiks im Juni 1946, an dem auch wir teilgenommen hatten, veranlasste<br />

die Organisatoren, alle Maßnahmen zu ergreifen, um den möglichen<br />

Missfunktionalitäten zuvorzukommen, und eine elastischere Taktik und Strategie<br />

zu entwerfen, die an jede Gegebenheit angepasst werden konnte. In erster Linie<br />

wurden im Vorfeld alle potentiellen Teilnehmer von unseren Ärzten in diskreter<br />

Weise eingehend untersucht und anschließend Listen nach Gesundheitszustand<br />

und Robustheit erstellt. Auf der ersten Liste befanden sich jene, die den Streik zu<br />

beginnen hatten. Dann sollte nach zwei-drei Tagen, während denen die Sowjets<br />

alle ihre klassischen Einschüchterungsmethoden aufgebraucht haben würden<br />

(Verhöre, Einkerkerungen, Evakuierungen in andere Lager), die zweite Liste „das<br />

Feuer eröffnen“; und wenn die Spitäler voll sein würden mit all denen, die in<br />

ernstem Zustand auf Bahren eingeliefert wurden, was der Verwaltung<br />

unüberwindliche Schwierigkeiten bereiten würde, dann sollte auch die dritte und<br />

letzte Liste in Aktion treten, die strategische Reserve der weniger gesunden und<br />

<strong>ro</strong>busten Gefangenen. Die in wenigen Tagen infolge ihrer massiven Einlieferung<br />

ins Spital das gesamte Sanitätssystem, das lokale und gar jenes des Rayons,<br />

zum Kollaps bringen würden.<br />

Und die Operationen liefen tatsächlich „plangemäß“ ab. Ja, mehr noch, sie<br />

übertrafen auch die optimistischsten Erwartungen, denn letztlich streikten auch<br />

welche, von denen dies niemand erwartet hätte: Leute von den „Freiwilligen“,<br />

den „Antifaschisten“.<br />

Letzteres muss die Sowjets wohl ziemlich verwirrt haben. Wenn auch<br />

jene, die als „ihre Leute“ galten, gegen sie streikten, was sollten sie da noch von<br />

denen sagen, die von aller Anfang „gegen sie“, die Sowjets gewesen waren?<br />

So wie ich bereits an anderem Ort berichtet habe, sahen sich die Sowjets,<br />

angesichts dessen, dass es ihnen unmöglich geworden war, hunderte von<br />

Streikenden in alarmierendem Zustand ärztlich zu versorgen (von der künstlichen<br />

Ernährung einer solchen Menschenmasse konnte gar nicht erst die Rede sein),<br />

schließlich gezwungen vor der Unbeugsamkeit der 1500 Hungerstreikenden klein

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