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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 480<br />

135. Eine Flucht wie im Kino<br />

Auch aus den sowjetischen Lagern versuchten die Wagemutigsten aller<br />

Nationen zu flüchten. Freilich ist ihre Zahl gering verglichen mit jener der<br />

Flüchtlinge aus den Lagern der Achse oder der Vereinten Nationen, und der<br />

P<strong>ro</strong>zentsatz der gelungenen Fluchtversuche ist verschwindend klein im Vergleich<br />

zu denen aus den letzteren. Dies erklärt sich weniger durch eine besondere<br />

Wachsamkeit der sowjetischen Lagergarde, als dadurch, dass eine solche Aktion<br />

ohne Perspektiven war angesichts der Immensität der zu durchquerenden, zum<br />

Teil unbewohnten Regionen und der fast unmöglichen Überlebensbedingungen,<br />

wo die Lebensart der Bevölkerung sich vom eu<strong>ro</strong>päischen so sehr unterscheidet,<br />

dass jene, die ein solches Abenteurer unternahmen, es nicht schafften, sich<br />

hinreichend zu „mimetisieren“, um nicht als „Fremde“ entlarvt zu werden.<br />

Ein Beispiel: Zwei flüchtige Rumänen, Altgefangene, die im Lagerdienst<br />

gearbeitet hatten, <strong>ro</strong>buste Kerle, zivil gekleidet mit glänzenden<br />

Russischkenntnissen kommen in eine Stadt. Der eine von ihnen hatte Lust auf<br />

eine Zigarette. Von zu Hause daran gewöhnt, dass man – vor dem Krieg – in<br />

jedem Tabakladen auf Wunsch auch nur ein paar Zigaretten (und nicht eine<br />

ganze Packung) kaufen konnte, betrat der Betreffende einen solchen<br />

Tabakladen und verlangte ein paar Kuban-Zigaretten, zum Staunen des<br />

Verkäufers (bei ihnen wurde nur päckchenweise verkauft), der allein schon aus<br />

diesem Detail schloss, dass er einen Fremden vor sich hatte (vielleicht ein<br />

Spion!, warum nicht), höflich ablehnte und, nachdem dieser den Laden verließ,<br />

die Polizei verständigte.<br />

Aber auch wenn der Betreffende aus solchen Fallen entkommt,<br />

unbehelligt all diese riesigen geographischen Räume durchquert und bis an die<br />

Grenze gelangt, so ist dort bestimmt Endstation, denn entlang der gesamten<br />

eu<strong>ro</strong>päischen oder asiatischen Grenze gibt es speziell eingerichtete,<br />

kilometerbreite Zonen mit aufgegrabener und geeggter Erde zwischen Reihen<br />

von Stacheldraht, mit Wachtürmen, Fallen, mit verborgenen<br />

Beobachtungsposten, an denen es unmöglich ist, vorbeizukommen. Dort, am<br />

Ende eines übermenschlichen Wettbewerbs, scheitert man dramatisch im letzten<br />

Moment. Der Fall Leutnant Andrei St\nescus, der in Czernowitz erwischt wurde,<br />

nachdem er ganz Russland zu Fuß und mit der Bahn durchquert hatte, ist<br />

beispielhaft.<br />

Und man scheitert, weil der Fluchtweg aus der Sowjetunion nicht über die<br />

geeggte und überbewachte Zone führt, sondern über den Grenzübergang ,<br />

vorbei an den Zollbeamten und NKWD-Männern, mit dem Pass in der Hand und<br />

einem Lächeln im Gesicht, wobei man entspannt mit zwei Fingern an der Mütze<br />

auf ihren höflichen Gruß antwortet. Dies nämlich konnte der – meines Wissens –<br />

einzige „Flüchtling“ feststellen, der es schaffte (und gerade deswegen schaffte er<br />

es ja), nach Hause zu gelangen: Unterleutnant Sandu Gabriel.<br />

Na ja, woher aber einen Pass? Gute Frage. Die Antwort darauf folgt in der<br />

untenstehenden Geschichte.

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