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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 26<br />

unbemerkt dem Panzer zu nähern und seine Raupenkette zu zerstören. Ein<br />

angezündeter Benzinkanister unter den Motor würde ihn dann endgültig aus dem<br />

Kampf ausschalten. Es war eine verzweifelte, risikoreiche Lösung, vor allem im<br />

Falle eines gleichzeitigen Angriffs durch mehrere Panzer, die einander<br />

gegenseitig zu verteidigen imstande waren. Aber eine andere Lösung gab es ja<br />

nicht.<br />

Wir waren einverstanden damit, und damit alles automatisch, ohne<br />

Zögern (wer attackiert beim Auftauchen des ersten Panzers?) ablaufe, legte<br />

S=mbotin ein Spielkartenpaket auf den Tisch und forderte uns auf, jeder je eine<br />

Karte zu ziehen. Furtun\ zog einen Buben, ich einen Zehner und S=mbotin die<br />

Pikdame. Er lächelte ein bisschen, nachdenklich geworden, denn die Pikdame,<br />

das war seine Verlobte. Er also war der erste, Furtun\ der zweite und ich der<br />

letzte. Jeder rief seine Männer herbei und erklärte ihnen, was sie zu tun hatten<br />

und welches die Risiken waren. Dann legten wir uns mit vollen Granatsäcken auf<br />

den Boden und warteten. Es verging nicht viel Zeit, als, durch ein kräftiges<br />

Rattern angekündigt, das wie das Schnarchen eines Drachens klang, ein T34<br />

aus dem Nebel auftauchte.<br />

«Der gehört mir», sagte S=mbotin und forderte seine Mannen durch ein<br />

Zeichen auf, ihm zu folgen. Alsbald verschwanden sie im Roggenfeld und in dem<br />

Nebel, durch den der Panzerwagen vorsichtig näher kam, mit dem<br />

Maschinengewehr zufällige Kugelsalven ausspuckend, ohne dass ihn etwas<br />

aufhielt. Plötzlich tauchte auf seinem Turm eine Silhouette auf: S=mbotin. Mit<br />

einer Hand hielt er sich am Panzer<strong>ro</strong>hr fest, mit der anderen holte er aus seinem<br />

Sack Granatpaket um Granatpaket, die er unter die Raupenkette warf. Man hörte<br />

die Explosionen, aber der Panzer setzte ungestört seine Fahrt auf uns zu fort.<br />

S=mbotin nahm seinen Sack mit Granaten ab und warf ihn unter die<br />

Raupenkette. Eine noch größere Explosion folgte, aber es geschah… nichts. Der<br />

Panzer fuhr weiter auf uns zu und es schien, als könne ihn nichts daran hindern,<br />

uns alle, samt den Kanonen, zu Brei zu zermalmen. Da rief S=mbotin seinen<br />

Leuten etwas zu, bat sie um etwas. Sofort näherte sich aus dem Roggenfeld<br />

einer der Soldaten und brachte ihm einen riesigen Schmiedehammer, den<br />

Hammer des Kanoniers. S=mbotin ergriff ihn und zerschlug mit einigen Schlägen<br />

das Rohr des Maschinengewehrs. Dann ging er zum Kanonen<strong>ro</strong>hr über, aber<br />

ergebnislos. Da begann er voller Verzweiflung furienhaft auf den Turm und die<br />

„Mähne“ des Panzers einzuschlagen, der einem wilden Pferd gleich rasche<br />

Wendungen nach rechts und nach links vollzog, in der Hoffnung, ihn doch<br />

endlich abzuwerfen.<br />

Es gibt Bilder, die in gewissen Situationen ihre übliche Bedeutung<br />

übersteigen und einen umfassenderen, tieferen Sinn bekommen, den eines<br />

Symbols. Jetzt, da ich diese Ereignisse wiedergebe, ist mehr als ein halbes<br />

Jahrhundert seither verstrichen. Aber dieses Bild ist für mich auch heute noch<br />

lebendig, ein furchtbares Stahlmonster hervorstechend aus einem in Nebel<br />

gehüllten Hintergrund. Auf seinem Hals ein Mann mit zerzausten Haaren und<br />

einem riesigen Hammer in den Händen, der damit verzweifelt, furienhaft,<br />

frenetisch, irrsinnig, ununterb<strong>ro</strong>chen auf das Monster einschlägt.<br />

Es ist das Symbol unseres Kampfes mit dem sowjetischen «Golem». Er<br />

greift uns mit der fortgeschrittensten Technik an, und wir verteidigen uns mit

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