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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 517<br />

er bis ans Ende der Reise aushalten würde. Schließlich aber fanden sich zufällig<br />

bei einem von uns ein paar Aspirintabletten, und Cri[an begann zu schwitzen,<br />

beruhigte sich gewissermaßen, und wir nickten ein.<br />

Als wir im Morgengrauen aufwachten, hielt der Zug schon seit einiger Zeit.<br />

Durch das kleine Fenster blickten wir der Reihe nach hinaus, um<br />

herauszubekommen, wo wir waren. Aber was hätte man denn erkennen können<br />

durch den milchigen Nebel, der alle Konturen verwischte? Nach und nach löste<br />

sich der Nebel auf, und etwa 30 m entfernt nahmen zwei<br />

Maschinengewehrnester Gestalt an, mit auf uns gerichteten Läufen und in<br />

Wartehaltung danebenliegenden Bedienungssoldaten.<br />

„Was haben die hier denn vor? Sind sie übergeschnappt? Wollen sie mit<br />

uns etwa die rumänische Variante Katyns realisieren?“, fragten wir uns eher<br />

verwirrt denn ersch<strong>ro</strong>cken.<br />

„Wäre nicht ausgeschlossen. Vor allem, da wir uns, soviel ich sehe, in<br />

Jilava 194 befinden“, meinte jemand von uns, der ein Jahrzehnt vorher an diesem<br />

unheimlichen Ort, der schon vor der Machtergreifung der Kommunisten zu<br />

schrecklichem Ruhm gelangt war, gewesen war. „Allerdings glaube ich, dass sie<br />

uns mit all dieser Regie bloß einschüchtern wollen. Hätten sie Ernsteres<br />

vorgehabt mit uns, so hätten sie uns diskreter hierher transportiert und nicht<br />

unter den Augen hunderter von Soldaten.“<br />

Als der Nebel sich gänzlich aufhob, konnte man im Hintergrund den<br />

Bahnhof der schrecklichen Ortschaft sehen. Also brachte man uns nicht nach<br />

Jilava. Aber wohin denn dann? Vor unseren Waggons gingen Milizmänner auf<br />

und ab, und von der Lok her hörte man, wie sich uns das Geräusch von sich<br />

öffnenden Türen und kurzen Befehlen näherte.<br />

Wir kleideten uns rasch an und packten unsere Habseligkeiten<br />

zusammen. Wir schoben Cri[an nach vorne, an die Tür, und weil er sich nicht auf<br />

den Beinen halten konnte, legten wir ihn auf eine Decke wie auf eine Bahre,<br />

womit ihn dann vier Kameraden zu gegebenen Zeitpunkt aus dem Waggon<br />

heben sollten. Schließlich ging die Tür mit Gewalt weit auf. Vor uns standen vier<br />

Milizmänner mit auf uns gerichteten Pistolen, mit verkrampften Gesichtern und<br />

hassvollen Augen. Die zwei Welten starrten sich für eine Weile schweigend und<br />

unbeweglich an, wie beim Fotografen. Dann kam wie ein Flash der Befehl:<br />

„Aussteigen!” Die Pistolen waren weiterhin auf uns gerichtet. Als die vier<br />

Kameraden sich aber bückten, um Cri[an hochzuheben, der bis dahin nicht zu<br />

sehen gewesen war, machten die Milizmänner g<strong>ro</strong>ße Augen. Die Pistolen<br />

senkten sich langsam eine nach der anderen, ja, einer der Milizmänner streckte<br />

sogar die Hand nach der Decke aus, um beim Ausladen des Kranken behilflich<br />

zu sein.<br />

Sollte sie der so direkte Anblick des menschlichen Leids und Elends<br />

wenigstens für einen Augenblick vermenschlicht haben?<br />

Doktor Popescu stieg umgehend aus dem Zug und erklärte einem der<br />

vier, der der Chef zu sein schien, die Situation des Kranken, die einen sofortigen<br />

Eingriff erforderte. Dieser brachte Cri[an mit seinen vier Begleitern rasch zu<br />

194 Berüchtigtes Bukarester Gefängnis (genau genommen liegt es in der gleichnamigen Gemeinde in Kreis<br />

Ilfov), in das die Kommunisten vor allem politische Häftlinge steckten.

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