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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 173<br />

45. DER ANKÄUFER VON TOTEN SEELEN<br />

Da die Gründung der Division vor dem Endspurt stand und man noch nicht<br />

über die nötige Anzahl von Offizieren verfügte, warf das Kommissariat in der<br />

Hoffnung, die letzten Kärpfchen einzufangen, verzweifelt seine Netze nach uns<br />

aus. Um bei diesen Manövern, die in überlangen Überredungsverhören<br />

bestanden, Aushilfe zu leisten, nahmen daran auch politische Flüchtlinge, also<br />

Kommunisten, teil, wie etwa Constantin P=rvulescu 82 , der 1989, beim XIV.<br />

Kongress der RKP, Ceau[escu die Stirn bieten sollte, oder Rechtsanwalt M=]\.<br />

Letzterer war eigentlich kein Flüchtling. Seine Situation war besonderer Art. M=]\<br />

war eine der führenden politischen Persönlichkeiten der Zwischenkriegszeit in<br />

Bessarabien. 1918 hatte er der Landesratsversammlung von Chi[in\u angehört<br />

und für die Vereinigung mit Rumänien gestimmt. Die sowjetische Invasion im<br />

Juni 1940 hat ihn wohl auch, gleich vielen angesehenen Intellektuellen, in<br />

Bessarabien erwischt. Diese wurden vom NKVD verhaftet und in die<br />

Schneewüsten Sibiriens geschickt.<br />

Wie es den kam, dass er nicht auch in diese Vernichtungslager gelangt ist,<br />

weiß man nicht. Vielleicht haben die Bolschewiken, statt ihn physisch zu<br />

vernichten, es vorgezogen, ihn moralisch zu zerstören, um ihn vor ihre<br />

p<strong>ro</strong>pagandistischen Ziele zu spannen, angesichts dessen, dass er sich in den<br />

Reihen der bessarabischen Bevölkerung eines gewissen Ansehens und einer<br />

gewissen Glaubwürdigkeit erfreute. Schließlich hatte er für die Vereinigung<br />

gezeichnet. Und aus Angst vor dem Exil oder dem Tod mag er selber sich wohl<br />

auch zur Kollaboration bereit gezeigt haben.<br />

All dieses wusste ich von den bessarabischen Offizieren, die ihn zum Teil<br />

persönlich gekannt hatten. Er hütete sich jedoch, diese zu kontaktieren. Vielleicht<br />

schämte er sich seiner Verwandlung. Nun, jenseits der fünfzig, sah er wie ein<br />

Wrack aus. Dünn, hoch gewachsen und knochig, in einem langen, alten Mantel<br />

steckend, ging er vorgebeugt, leicht hin und herwankend und seine Füße<br />

hinterher ziehend. Man konnte ihn auf dem Weg vom Kommissariat zur Küche<br />

sehen, wo er schweigend einen leeren Essnapf auf den Tisch schob und diesen<br />

gefüllt zurückerhielt. Es war die Zulage zu seiner P<strong>ro</strong>pagandatagesnorm. Die<br />

Gespräche mit ihm, wie jene erzählten, welche diese Ehre hatten, begannen mit<br />

weltpolitischen und -strategischen Ausführungen, die zu dem Schluss führten,<br />

dass die Achsenmächte den Krieg verlieren werden und es Pflicht sei, unser<br />

Land aus der Sackgasse herauszuholen. Es folgte der beschämende Vorschlag,<br />

den Karriereversprechungen und andere Vorteile für den Gesprächspartner<br />

begleiteten, und auf die Ablehnung desselben die entsprechenden D<strong>ro</strong>hungen,<br />

von Fall zu Fall nuanciert, worauf dann der Betreffende in den Schlafsaal<br />

geschickt wurde. Um darüber noch nachzudenken und ihn sofort zu<br />

verständigen, sowie er seine Meinung änderte.<br />

82 C.P. (1895-1992) war einer der Gründer der Rumänischen Kommunistischen Partei.

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