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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 419<br />

ihre Nationalhymne werden sollte, dann hielt eine Ehrengarde der Gefangenen<br />

die stolze <strong>ro</strong>te Fahne mit Sichel und Hammer hoch, und dahinter schlängelte sich<br />

die Kolonne der Gepäck-Menschen, gebeugt von ihrer Bürde, vor lauter<br />

revolutionärem Elan dahintaumelnd, die aber aus der Sicht der sowjetischen<br />

Politruks das <strong>ro</strong>te Paradies auch auf die japanischen Inselgruppe ausweiten<br />

sollte. Auch Yimori Toru kam an mir vorbei. Wir reichten uns die Hand, und er<br />

flüsterte mir nur soviel zu: Jiu-Jitsu.<br />

Eine wunderbare Farce! Aber nur ein g<strong>ro</strong>ßes, diszipliniertes Volk, das<br />

solidarisch wie ein Monolith ist und dessen Pflicht- und Ehrgefühl bis in den Tod<br />

reicht, konnte diese spielen. Für uns Rumänen wäre sie fatal gewesen. Unseren<br />

Jungs verschlug das, was sie sahen, die Sprache. Alles, was sie über das Volk<br />

der Samurais, der Kamikaze gelernt hatten, war nun auf den Kopf gestellt<br />

worden von dem g<strong>ro</strong>tesken, erniedrigenden Schauspiel, das sich ihnen bot. Was<br />

mich betrifft, da ich nun frei von meinem Versprechen war, versuchte ich am<br />

Abend bei einem Plausch, meinen Freunden auch die ernste Seite dieser Farce<br />

darzustellen, indem ich ihnen all das erzählte, was mir Y.T. gesagt hatte.<br />

„Quatsch! Er hat dir all dies gesagt, um das Verhalten seiner Landsleute<br />

zu rechtfertigen, dessen er sich wahrscheinlich schämte. Eigentlich sind sie<br />

durch die eingegangen Verpflichtungen an Händen und Füßen gebunden. Sie<br />

werden zu spielen haben, wie ihnen der NKWD vorsingt. Zum Teufel auch! Hast<br />

du denn vergessen, wie die arbeiten?“ Ich setzte die Diskussion nicht fort, denn<br />

sie hätte degenerieren können hin zu Spekulationen ausgehend von der Idee,<br />

sich mit dem Teufel zu verbrüdern, bis man über die Brücke kommt 174 , eine<br />

Haltung, die ich immer schon abgewiesen habe.<br />

Aber die Ereignisse sorgten dafür, dass diese Idee aktuell wurde. Etwa<br />

einen Monat nach ihrer Heimkehr, siehe da, was uns Cotea aus der Iswestija<br />

vorlas. Unter dem Titel „Der schmutzige Klatsch gegen die Sowjetunion einiger<br />

ehemaliger japanischer Kriegsgefangenen“ hieß es: „Aus dem Lager von<br />

Morschansk repatriiert, haben mehrere japanische Offiziere damit begonnen, die<br />

Presse mit unverschämten Lügen zu füttern, indem sie behaupten, sie seien zu<br />

erschöpfender Arbeit gezwungen worden und hätten vor Hunger Schlangen<br />

verzehrt.“ (Was auch stimmte, auch wir Rumänen hatten davon gehört.) Dann<br />

wurden die inkriminierten Tatsachen voller Empörung dementiert, wonach der<br />

Artikel wie folgt endete: „Übrigens, diese Gruppe von Reaktionären und<br />

Faschisten macht sich auch der Verbrechen gegen die Menschheit schuldig,<br />

denn auf dem Schiff, das sie heimbrachte, lösten sie eine Ter<strong>ro</strong>raktion gegen die<br />

fortschrittlichen demokratischen Elemente der Gefangenen aus, indem sie die<br />

besten Söhne des Volkes über Bord warfen und auf diese Weise General X, eine<br />

g<strong>ro</strong>ße militärische und moralische Persönlichkeit, dazu brachten, aus P<strong>ro</strong>test<br />

gegen diese Verbrechen Selbstmord zu begehen.“ Also, jenseits der schamlosen<br />

Weise, in der die sowjetische Presse die Bedeutung des Freitods des Generals<br />

verdrehte, musste ich feststellen, dass Y. Torus Voraussage sich Punkt für Punkt<br />

erfüllt hatte. Der Samurai war ein Samurai geblieben und hatte die Rechnung für<br />

alle Repatriierten, die seinen Befehl zur moralischen Kapitulation befolgt hatten,<br />

beglichen. Er hatte die gesamte Verantwortung für die kollektive Schande auf<br />

174 Rumänisches Sprichwort.

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