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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 460<br />

hin zur Explosion, der wieder aufgenommen wurde, anhielt und erneut<br />

explodierte, und vor meinen Augen sah ich einen Saal im Freudentaumel.“<br />

„Danach verließ die Sendung den Saal, und aus der Übertragungskabine<br />

hörte man die Stimme des Sprechers: «Geehrte Zuhörer, in der Interpretation<br />

unseres Orchesters sendeten wir das symphonische Poem Ferganà, das der<br />

bekannte sowjetische Komponist Maldebajew verfasste.! Sie ohrfeigten mich,<br />

bespritzten mich mit Wasser, kneteten mein Herz, damit ich wieder zu mir kam,<br />

und ich kam wieder zu mir. Die Elenden!... Sie haben mir meine Komposition<br />

gestohlen. Einfach so. So wie sie mir bei den Durchsuchungen die Uhr, das<br />

Taschenmesser, den Ehering abgenommen hatten, so taten sie’s nun auch mit<br />

dem Poem. Unerlaubte Gegenstände für einen Gefangenen…. Und dies, um mit<br />

einer gestohlenen Komposition wer weiß welche Null von einem Kulturnik zu<br />

fördern.“<br />

„Hätten Sie es denn lieber gehabt, wenn Ihr Poem im Müllkorb gelandet<br />

wäre?“, versuchte ich ihn. „Immerhin gelangte es, wenn auch unter dem Namen<br />

eines Hochstaplers, tatsächlich in die Herzen der Zuhörerschaft, die ja<br />

größtenteils selbstverständlich aus Kirgisen bestand, für welche das von Ihnen<br />

geborgene Melos ein seelisches Labsal war. Glauben Sie denn nicht, dass Ihr<br />

Werk damit seine wahre Bestimmung, die von Gott verliehene, erfüllt hat?“<br />

„Das mag ja auch sein. Bisher habe ich an diese Möglichkeit nicht<br />

gedacht. Wie dem auch sei, ich danke Ihnen für die Idee. Es könnte sein, dass<br />

sie mich über den Verlust hinwegtröstet. Ich werde noch darüber nachdenken.“<br />

Ich weiß nicht, ob er denn noch über diese Idee (die im gemeinsamen<br />

Fundus aller religiösen Traditionen zu finden ist: nicht zu suchen, dich der<br />

Früchte deiner Taten zu erfreuen) nachgedacht hat oder nicht, denn nach<br />

einigen Tagen, nachdem er mir diese Geschichte erzählt hatte, verließ er unser<br />

Lager. Wohin? Der liebe Gott allein weiß dies.

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