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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 211<br />

56. DON JUAN AUF DER BÜHNE VON ORANKI<br />

Wer verfasste denn die Skripte für die Festtage oder für die<br />

Revuevorstellungen? Selbstverständlich waren es mehrere Personen, aber das<br />

kollektive Gedächtnis behielt einen einzigen Namen: Corneliu Corco]oiu. Er war<br />

ein sanfter Junge mit offenherzigem, ewig lächelndem Gesicht. Er besaß<br />

Phantasie, Einfallsreichtum, Verve, Humor. Er konnte jeder Situation eine Pointe<br />

abgewinnen, egal wie dramatisch diese auch war, vor allem aber verfügte er<br />

über eine unglaubliche Leichtigkeit, Verse zu schmieden. Keine Frage, er war für<br />

die Revue geboren. Er schrieb die besten Nummern, und er war es auch, der<br />

sehr subtil, kaum wahrnehmbare Anspielungen einzubauen wusste. Waren aber<br />

die Kommissare (ausgenommen Codler, der in letzter Zeit aus dem Lager fehlte)<br />

nicht imstande, diese wahrzunehmen, so fanden sich immer welche, um ihnen<br />

die Augen zu öffnen. Es gab hinreichend antifaschistische „Regenbögler“ um sie<br />

herum, welche kaum erwarten konnten, ihren Denunzianteneifer und die Treue<br />

zu der „Leitlinie“ der Bewegung zu zeigen. So kam es, dass Corco]oiu vom<br />

Kommissariat schließlich arg bedrängt wurde, und die von ihm verfassten<br />

Shownummern so sehr von der Schere der Zensur verstümmelt wurden, dass<br />

letztlich kaum noch etwas davon übrig blieb, das es verdient hätte, vorgetragen<br />

zu werden. Diese Ausschaltung des besten Texters hatte negative Auswirkungen<br />

auf die Qualität der Revue, nötigte einem doch der Humor der restlichen<br />

Nummern (verfasst von unbegabten Mitarbeitern) eher Mitleid ab. Die Revue<br />

starb.<br />

Da kam eine Gruppe von Freunden zu mir, allen voran Haralambie<br />

Papadopol, Musiklehrer und geborener Musiker. Er dirigierte jetzt das kleine<br />

Orchester, welches die Show begleitete. Was sie wollten, war, kurz gesagt,<br />

Folgendes: „Corco]oiu lassen sie nicht mehr arbeiten. Die Revue liegt auf dem<br />

Leichenwagen. Versuch doch du, sie wieder zu beleben! Schreib was!“ Ihr<br />

Vorschlag erstaunte mich. Ich hatte mich doch bis dahin im Lager nur durch ein<br />

paar Vorträge über die rumänische und die Weltliteratur hervorgehoben! Die<br />

Revue war etwas, was ich zu Hause eher selten besucht hatte, war ich doch<br />

eigentlich ein leidenschaftlicher Opernliebhaber. Vor allem als Student verging<br />

kaum ein Abend, an dem ich nicht auf meinem Platz auf dem II. Balkon in der I.<br />

Bank saß – der Platz mit der besten Akustik, von wo ich manchmal sogar zwei-,<br />

drei- oder gar viermal alle Aufführungen verfolgte, die in jenen goldenen Jahren<br />

der rumänischen Kultur (aber auch meiner Jugendzeit) am Lyrischen Theater<br />

gebracht wurden.<br />

Und in jenem Moment hatte ich die Idee, das Unterhaltungsmusikniveau<br />

anzuheben und in die Revue, an der gerade gearbeitet wurde, als<br />

Schockmoment einen Opernakt einzubauen. Aus welcher Oper nur sollte ich<br />

diesen auswählen? Aus jener, die ich „n“-mal verfolgt hatte, die ich auswendig<br />

konnte, aus der schönen und zugänglichen Oper „Don Juan“ von Mozart. Erst<br />

waren die Organisatoren verblüfft, dann aber akzeptierten sie begeistert die Idee,<br />

und ich ging sofort an die Arbeit. Ich bereicherte etwas den 1. Akt mit Elementen

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