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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 263<br />

68. METAMORPHOSEN: VON „GEFANGENEN” ZU<br />

„KRIEGSVERBRECHERN”<br />

Eine der Methoden, welche die Macht anwandte, um die Masse der<br />

Gefangenen unter Ter<strong>ro</strong>r zu halten, war auch jene, die als unerwünscht<br />

geltenden „Elemente“ des Lagers ins Unbekannte zu verschicken. Der<br />

Betreffende wurde mit all seinen Habseligkeiten zum Tor gerufen, und zwar<br />

vorzugsweise abends, manchmal gar nach dem Zapfenstreich, und nach einer<br />

strengen Durchsuchung verschwand er aus dem Lager, wurde vom schwarzen<br />

Loch des Unbekannten geschluckt und ließ an seiner Statt nur ein Fragezeichen<br />

zurück.<br />

Am Tag darauf wurde das Ereignis im Flüsterton und besorgt rundum<br />

kommentiert und interpretiert. Und so hatte die Gemeinschaft (die Gefangenen)<br />

ein neues P<strong>ro</strong>blem, das sie von ihren vitalen Beschäftigungen (Essen, Arbeit,<br />

Repatriierung) ablenkte und jegliche andersweitige Initiativen des Widerstands<br />

gegen die Übergriffe der Macht, so scheu diese denn auch waren, unterband.<br />

Von Zeit zu Zeit jedoch geschah es, dass durch die permanente Rotation der<br />

Gefangenenmassen im riesigen sowjetischen Konzentrationsraum mit dieser<br />

oder jener neu angekommenen Gruppe wer weiß welcher Nationalität uns eine<br />

Nachricht oder gar ein Zettel von einem unserer „Verschwundenen“ zu uns<br />

gelangte. Und so hob sich denn ein Zipfel von diesem „geheim“ gehaltenen<br />

Universum, und wir konnten erfahren, dass dieser oder jener, der vor einem Jahr<br />

weggebracht worden war, in diesem oder jenem Lager war, zusammen mit<br />

seinen Kameraden (es folgten verschiedene Namen anderer „Verschwundener“,<br />

die damit nun auch wiedergewonnen waren). Diese zufällig den versetzten<br />

Gruppen anvertrauten Zettel waren wie eine Art Flaschenpost, die Schiffbrüchige<br />

in die Wellen werfen. Sie gaben denen, die in diesem riesigen, irrsinnigen und<br />

monströsen Raum isoliert waren, das Gefühl, dass sie nicht völlig losgelöst<br />

waren von der menschlichen Gesellschaft und dass diese sie letztlich retten<br />

würde.<br />

In M=n\st=rka hatten zu jenem Zeitpunkt (Winteranfang 1945-1946) die<br />

Aushebungen zugenommen. Der Reihe nach erlitt ich zwei schmerzliche<br />

Trennungen, als erstes von meinem guten Freund und Mitarbeiter Lambie<br />

Papadopol, der für den musikalischen Teil des Basars der Illusionen gesorgt<br />

hatte und nun ins Unbekannte aufbrach. Ich sollte ihm erst in der „Heimat” wieder<br />

begegnen, 1961 im Strafarbeitslager „Periprava”, also nach 16 Jahren... Und<br />

zweitens von Freund Tase T\lp\[eanu, der mich in Oranki in den Schutz seiner<br />

„Brettschneidebrigade” genommen hatte und der sich auch ins Unbekannte<br />

aufmachte. Wiedersehen sollte ich ihn 1949 in Odessa.<br />

Zum Unterschied zu den Aushebungen in den vorigen Jahren, die<br />

ausschließlich Unerwünschten galten, wurden die jetzigen von einer neuen<br />

Kategorie ergänzt, nämlich von den „wegen Kriegsverbrechen Untersuchten”. Es<br />

ist bekannt, dass die drei G<strong>ro</strong>ßen nach Kriegsende ein Gesetz zur Bestrafung<br />

der „Kriegsverbrecher” ausgearbeitet hatten. Im Prinzip war das Gesetz ja

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