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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 198<br />

konnten wir nicht anders, als diese Kapitulation als eine g<strong>ro</strong>ße Katast<strong>ro</strong>phe<br />

unserer Geschichte zu beweinen. Und alle weinten wir.<br />

Bald danach wurde eine Sitzung im Freien angemeldet, zu der wir samt<br />

und sonders gerufen wurden. Im Präsidium saß, neben den „antifaschistischen“<br />

Führern und gewissermaßen als Vertreter der Staatsführung, auch ein NKVD-<br />

Mann. Codler ergriff das Wort. Erst einmal rekapitulierte er die Ereignisse.<br />

Von all diesen war es die Verhaftung Marschall Antonescus, welche allen<br />

kalte Schauer durchs Herz jagte, sogar jenen, die seinetwegen gelitten hatten<br />

(infolge der „Januarrebellion von 1941“, also den Legionären); ganz zu<br />

schweigen von einem guten Teil der aktiven Offiziere, die, Männer von<br />

Charakter, in ihm den Stern der moralischen Erneuerung unserer Armee<br />

gesehen hatten. Ob nun geliebt oder gefürchtet, geschätzt oder angefochten,<br />

eines blieb jenseits aller Zweifel: die freiwillige Aufopferung für eine Aufgabe vom<br />

ersten Moment an, die er ganz bewusst wie ein Totenhemd im Moment der<br />

Machtübernahme auf sich genommen hatte. Dies verleiht seiner Gestalt in<br />

unserer Geschichte die Statur eines tragischen Schicksals auf hohem Niveau.<br />

Deswegen auch ließ die Nachricht von seiner Verhaftung, die ein erschütterndes<br />

Ende vorzeichnete, bei vielen von uns eine Träne in den Augenwinkeln<br />

erglitzern.<br />

Codler beendete seine Rede mit einer rhetorischen Frage: „Nun, da die<br />

Rumänische Armee unter dem Kommando Seiner Majestät an der Seite der<br />

Sowjetarmee gegen den gemeinsamen Feind kämpft, was werden denn jene<br />

Herren Offiziere noch zu sagen haben, die es bis vor kurzem ablehnten, sich für<br />

die T.-V.-Division zu melden, unter dem lächerlichen Vorwand des Verrats?<br />

Welchen beschämenden Vorwand werden sie denn noch erfinden, um sich nicht<br />

den „Freiwilligen“-Einheiten anzuschließen und an der Seite «unserer! tapferen<br />

Rumänischen Armee zu kämpfen? Könnte mir denn jemand auf diese Frage<br />

antworten?“, schloss er pathetisch und herausfordernd. Schweigen in unseren<br />

Reihen. Tatsächlich, die herausfordernde Frage Codlers war verwirrend. Nun, da<br />

unsere Armee mit dem König an der Spitze Seite an Seite mit den Sowjets<br />

kämpfte, wie konnten wir da noch unsere Ablehnung rechtfertigen? Da erhob<br />

sich der alte Reserveleutnant Laiu Grecu und bat ums Wort. Er war ein Veteran<br />

des Ersten Weltkriegs, in dem er das linke Auge verloren hatte (dessen<br />

Augenhöhle nun von einer schwarzen Binde bedeckt wurde), hatte sich freiwillig<br />

auch für den Zweiten gemeldet. Der alte Laiu, ein sauberer und ehrlicher Mann,<br />

Mitglied der Liberalen Partei (der Br\tianus 99 ) und Rechtsanwalt aus dem<br />

moldauischen Bac\u, genoss größten Respekt unter uns. Da er sich aber nun zu<br />

Wort meldete, trauten wir unseren Ohren nicht, als er mit einem Dithyrambus auf<br />

den Generalissimus loslegte, auf den g<strong>ro</strong>ßen Stalin, ein geschickter Heerführer,<br />

der ja so vieles schon geleistet habe, auf den Vater der Völker, der Befreier…<br />

usw. Wir sahen einander völlig verblüfft an. „Was ist nur mit dem Alten<br />

passiert?... Ist er übergeschnappt?... Verkalkt?... War er auf den Verstand eines<br />

Kindes zurückgesunken? Oder hat er auf seine alten Tage Farbe<br />

angenommen?“ Unterdessen platzten die Antifaschisten vor Genugtuung fast<br />

99 Eine bedeutende Familie liberaler Politiker der modernen rumänischen Geschichte, die mehrere<br />

Regierungschefs stellte.

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