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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 407<br />

Kurz, sie waren nicht nur die Angriffslustigsten unter uns, sondern auch die<br />

Zähesten. Der Dachs hatte gut auszuwählen gewusst!<br />

Deswegen wohl kam Burckhardts Lüge unserem Unterbewusstsein sehr<br />

gelegen („Ihr seid die Letzten geblieben“), befreite uns vom Bewusstsein einer<br />

gewichtigen Verantwortung – in erster Linie gegenüber den aus unserer Mitte<br />

Entfernten, mit denen wir ja bei der Trennung eine Abmachung hatten.<br />

Deswegen akzeptierten wir diese Lüge auch so leicht, f<strong>ro</strong>h, dass die ganze<br />

Schuld am Scheitern auf den struppig-bärtigen Sündenbock zurückfiel und sich<br />

nicht verhältnismäßig auf uns alle aufteilte, wie es korrekt gewesen wäre. Diese<br />

Überlegungen wurden von unserer Gruppe anfangs mit einiger Gereiztheit<br />

aufgenommen. Aber Alecu Tr\istaru, Vasile Stoenescu, Vonica und Titu Preotu<br />

drückten mir schweigend die Hand zum Zeichen ihres Einverständnisses mit<br />

meiner Analyse.<br />

Später begann das Schuldgefühl gegenüber den aus unserer Mitte<br />

Gerissenen sich zuzuspitzen, und zwar in dem Maße, als wir Näheres darüber<br />

erfuhren, unter welchen Bedingungen sie abtransportiert worden waren. Von den<br />

Deutschen, die im Küchendienst arbeiteten und zum Tor Rationen Reisep<strong>ro</strong>viant<br />

gebracht hatten, erfuhren wir, dass der Gardechef befohlen hatte, die<br />

Nahrungsmittel mit dem LKW mitzunehmen, mit dem sie weggebracht werden<br />

sollten, und als sie dies mit der Begründung, im Hungerstreik zu sein, ablehnten,<br />

stürzten sich die Gardesoldaten auf sie und schlugen mit ihren Gewehrkolben<br />

wild auf sie ein. Die alten und kranken Obersten wie Hagiopol und Dimitriu, ganz<br />

zu schweigen von den anderen, wurden mit äußerster Bestialität von diesen<br />

sowjetischen „Humanisten“ weich geprügelt. Wie wir dann von deutschen<br />

Gefangenen erfuhren, die von Morschansk kamen und auf dem Bahnhof dort<br />

unsere Leute gesehen hatten, wiederholte sich diese grausame Szene auch dort.<br />

Unter den schreckerfüllten und empörten, aber hilflosen Blicken des<br />

Reisepublikums entluden die Bestien mit dem <strong>ro</strong>ten Stern ihre urigsten Triebe<br />

auf den Rücken der Opfer, waren aber schließlich jedes Mal gezwungen, die<br />

abgelehnte Wegzehrung selber zu schleppen. Aber obwohl sie von diesen<br />

Wilden, die sich durch einen historischen Fehler ins 20. Jahrhundert verirrt<br />

hatten, klein gehackt worden waren, blieben unsere Jungs standhaft und setzten<br />

ihren Hungerstreik den ganzen Transport über im Personenzug, unter den<br />

erstaunten Blicken der Reisenden, fort. Da schließlich der Zustand einiger von<br />

ihnen alarmierend ernst wurde, war der Konvoi gezwungen, die Trasse zu<br />

ändern und in Gorki Halt zu machen, von wo es wieder nach Oranki ging, vor<br />

einem Jahr der Ausgangspunkt einer von Ereignissen, Grenzsituationen und vor<br />

allem p<strong>ro</strong>funden inneren Erleuchtungen, wie es der Sieg im Teufelsloch eine war,<br />

mehr als gesättigten „Lagerreise“.<br />

In Oranki dann gaben sie alle zusammen den Streik auf und wurden mit<br />

offenen Armen von den Zurückgebliebenen empfangen. Und wie man sich in<br />

Oranki, genauer in M=n\st=rka, im Vorbereitungsfieber eines allgemeinen<br />

Hungerstreiks für die Repatriierung befand, die schließlich im Februar des<br />

nächsten Jahres, 1948, stattfinden sollte, füllte die Nachricht von unserem Sieg<br />

am Weihnachtsabend in Ustschoara alle Rumänen mit Hoffnung und<br />

Begeisterung. In Wartestellung an der Schwelle einer Schlacht auf Leben und<br />

Tod sollten die Gefangenen in Oranki unsere Erfahrungen von Ustschoara als

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