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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 177<br />

„Ja, ganz bestimmt spätesten kurz bevor ich auf die Welt kam“, setzte ich<br />

meinen abwegigen Diskurs fort. „Damals habe ich mir alle fundamentalen<br />

Existenzfragen gestellt, darunter auch diese, ob es sich denn auszahlt, deine<br />

Seele zu töten, um mit dem Leben davonzukommen, und solange ich nicht alle<br />

diese P<strong>ro</strong>bleme gelöst habe, war ich nicht gewillt, den Fuß in diese Welt zu<br />

setzen.“<br />

„Also, entweder du bist nicht bei T<strong>ro</strong>st, oder du nimmst mich auf die<br />

Schippe“, nahm M=]\ das Gespräch wieder auf, nachdem er sich von meinen<br />

rhetorischen Rauchgranaten etwas erholt hatte.<br />

„Ich nehme Sie auf die Schippe? Das wäre ja geradeso, als nähme ich die<br />

Geschichte meines Volkes auf die Schippe. Sie sind bereits Teil dieser<br />

Geschichte durch all das, was Sie für die Rückkehr Bessarabiens zu seinem<br />

Mutterland Rumänien geleistet haben.“<br />

(Ein peinliches Schweigen trat ein. Wer es als erster brechen wird, wird<br />

die Partie verlieren. Da die Worte fehlten, führten wir den Disput in Gedanken<br />

weiter.<br />

Ich: Zugegeben, ich war etwas unvorsichtig und habe den zentralen, aber<br />

zugleich auch den schwächsten Punkt deines Lebens get<strong>ro</strong>ffen, deinen<br />

Lebenshöhepunkt, den du nun zu verleugnen gezwungen bist, damit man dir<br />

erlaubt, weiter zu leben.<br />

Er: Wer bist du denn, dass du es dir erlaubst, über meine Verleugnung zu<br />

urteilen? Warst du denn neben mir, um zu wissen, unter welch fürchterlichen<br />

Umständen ich es getan habe? Und auf was für eine perfide Weise du mich<br />

verurteilst, indem du mich in den Himmel hebst, dass ich in die Geschichte<br />

eingegangen bin! Was erlaubst du dir da?)<br />

„Ich dachte, du bist ein ruhiger und objektiver Intellektueller“, brach er als<br />

erster das Schweigen. „Aber deine Ruhe ist nur Schein. Im Grunde genommen<br />

bist du eine sanfte Katze die böse kratzt.“ (Wenn das nicht toll ist, dachte ich bei<br />

mir. Da macht mich M=]\ zur „Katze“!)<br />

„Herr M=]\, die Katze ist, auch wenn sie manchmal kratzt, ein<br />

sympathisches Tier. Sie selber tragen als Beweis dafür ihren Namen. Folglich<br />

stört mich ihr Vergleich keineswegs. Das einzige, was mich stören würde, wäre<br />

ihr Verharren im Versuch, mich für die «Division! zu gewinnen. Herr M=]\, ich bin<br />

nicht käuflich. So steht’s in meiner persönlichen Akte, jene, die dort oben,<br />

zwischen den Sternen und für alle Ewigkeit, angelegt worden ist. Dies wollte ich<br />

Ihnen mit meiner Parabel mitteilen, jene mit dem Überlegen vor der Geburt, die<br />

Sie so aufgeregt hat und wofür ich mich bei Ihnen entschuldige. Aber das möchte<br />

ich klarstellen: egal mit welchen Argumenten oder Versprechungen oder<br />

D<strong>ro</strong>hungen Sie mir kommen, meine Seele verkaufe ich nicht.“<br />

„Schon gut, das ist dein persönliches P<strong>ro</strong>blem. Über deine Seele verfügst<br />

du ganz alleine. Bewahre sie dir nur rein und unbefleckt. Bleibt nur zu hoffen,<br />

dass du sie nicht eines Tages verkaufen möchtest, wenn dir keiner mehr auch<br />

nur einen <strong>ro</strong>ten Heller dafür gibt… Sie können in den Schlafsaal gehen.“ Ich<br />

wartete nicht mehr darauf, dass er die Aufforderung wiederholte, und<br />

verschwand flugs. Als ich die Tür hinter mir zuzog, sah ich ihn schlapp,<br />

zusammengesunken, mit dem Kopf auf der Brust dasitzen. Der arme Ankäufer<br />

von toten Seelen, er hatte den ganzen Vormittag verloren, ohne auch nur einen

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