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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 216<br />

nun triumphierend der Rampe zu schritt. Als er auf die Bühne trat, begleitete er<br />

das akute Finale mit einer e<strong>ro</strong>bernden Geste pursten Komödiantentums, die ihm<br />

aber einstimmigen Applaus einbrachte. Stelic\ hingegen, der ein Mann von Geist<br />

war, nahm sein Schwert und seinen Federhut ab und überreichte diese mit einer<br />

breiten Reverenz und unter dem Beifall des Saales dem Sieger. Bis zum Ende<br />

verfehlte der Meister keine Replik, und vom Spiel und Singen her war er<br />

kolossal. Der Gauner hatte sich eine Kopie der Rolle beschafft und heimlich<br />

gep<strong>ro</strong>bt!<br />

Die dritte Person, Johannes Enciclopedeus, spielte Petric\ Ilie – ich hatte<br />

diese Rolle speziell für ihn geschrieben. Mit seiner kindlichen und inoffensiven<br />

Figur, zerstreut wie ein Gelehrter, stets von einem Hauch metaphysischen Nebel<br />

umweht, gab Petric\, der dazu über eine reine und warme, lyrische Tenorstimme<br />

verfügte, eine veritable szenische Präsenz ab.<br />

Andere Personen, welche sich aus der Persönlichkeit der Interpreten<br />

genährt hatten, waren Eulalia (soll heißen „die schöne Rede“), die Ehefrau eines<br />

Zunftmeisters der Wursthersteller, die darauf brennt, zu glänzen, und sich geziert<br />

ausdrückt, daher auch ihr Name. Diese Rolle spielte in der Manier einer Coana<br />

Chiri]a 108 flott und voller witziger Gestik Hpt. Gutuleanu.<br />

Aber die g<strong>ro</strong>ße Überraschung des Schauspiels sollte Gretti, die Tochter<br />

Eulalias, sein. Die Rolle dieser Treuherzigen wurde von Sandu Cump\t\ voller<br />

Wärme und mit einem Feingefühl interpretiert, welches einen vergessen ließ,<br />

dass man es mit einer Travestie zu tun hatte.<br />

Ihr kleinerer Bruder, der unbändige Steppke Hipolit, wurde mit Witz von<br />

Ionic\ H=ngule[teanu gespielt, und der Vater dieser kleinbürgerlichen Sprösse<br />

und Gatte der Dame mit der gezierten Rede, der Zunftmeister Otto Patzac, sollte<br />

von dem alten und sympathischen Hpt. Romeo Vasilescu interpretiert werden,<br />

welcher der Person eine Art leicht süßliche Bonhomie verlieh.<br />

Wir kamen schnell voran mit dem Text und der Musikpartitur, und<br />

schließlich begannen die P<strong>ro</strong>ben mit dem P<strong>ro</strong>log. Während ich am ersten Akt<br />

schrieb, hatte ich keine Ahnung, welches das Ende sein würde. Das Einzige, was<br />

ich präzise wusste, war, dass die Premiere Anfang Februar stattfinden musste.<br />

Deswegen gelangte alles, was ich schrieb und Lambie an Noten aufsetzte, sofort<br />

auf die Bühne oder auf die Notenpulte des Orchesters. Und ich wusste noch,<br />

dass alle Dienste und alle Werkstätten uns zur Verfügung standen, um jegliche<br />

Bestellung für die „Operette“ auszuführen. Und dafür bedurfte es keines Befehls<br />

von oben, sondern es genügte der Wunsch eines jeden, mit irgendwas zu dem<br />

Schauspiel beizutragen. Was das Orchester betrifft, so hatte ich das Glück, dass<br />

sich unter uns ein Infanterieunterleutnant befand, der auch am Don in<br />

Gefangenschaft geraten war, dessen Hobby es war, Geigen zu bauen (er war<br />

aber ein wahrer Geigenbauer, kein Amateur). In der Schmiedewerkstatt gelang<br />

es ihm, alle notwendigen Werkzeuge herzustellen, mit denen er dann aus in der<br />

Gegend reichlich vorhandenen Kiefernbrettern für uns Geigen, Cellos,<br />

Kontrabässe, Gitarren, Mandolinen, Balalaikas usw. baute. Für die Saiten all<br />

dieser Instrumente hatte er die Telegraphendrähte, die er mit einem von ihm<br />

108 Bezieht sich auf die Hauptperson des Vaudevilles Coana Chiri#a sau dou" fete !i-o neneac" (Coana<br />

Chiri"a oder Zwei Mädchen und eine Muhme) von Alexandru Flechtenmacher (1823-1898) (Text: V.<br />

Alecsandri).

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