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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 82<br />

gegebenen Umständen zu Ende geführt hatte. Ich machte das Türchen des<br />

Ofens, in dem das Feuer prasselte, weit auf und ließ den Widerschein der<br />

Flammen über den bleiernen Schlaf dieser Überlebenden im G<strong>ro</strong>ßen Schiffbruch<br />

der Niederlage strömen.<br />

Ich betrachtete alle diese Gesichter, die zu einem Siegel all der erlittenen<br />

Schmerzen geworden waren, und fragte mich, wie viele von ihnen denn noch der<br />

Wärme dieses Feuers teilhaftig geworden wären, wenn ich bei jenem Appell<br />

Dwoeglasows vor dem blutigen Hintergrund so vieler Massaker nicht den Mut<br />

oder den Wahnsinn, wie manche meinten, gehabt hätte, vorzutreten und diesen<br />

Auftrag anzunehmen, jenes Minimum an Ordnung, das für das Überleben einer<br />

von Hunger und F<strong>ro</strong>st irre gemachten Menge ununentbehrlich ist, wieder<br />

herzustellen?<br />

Ich bereitete mich darauf vor, in Gedanken mein Gebet zu sagen und wie<br />

gewöhnlich einzuschlafen, als etwas, dass sich auf dem Podium zutrug, meine<br />

Aufmerksamkeit auf sich zog. Im schwachen Licht der Sturmlampe erkannte ich<br />

die Silhouette meines Usbeken, wie er auf den Knien sich wiederholt verbeugte<br />

bis er den Fußboden mit der Stirn berührte. Er betete. Zu Allah, so wie ich zu<br />

Gott betete. Und er tat es heimlich, um nicht gesehen zu werden und vor allem,<br />

damit keiner ihn verrate. Es war das Letzte, was ich von diesem Menschen, der<br />

mich hätte umbringen können, um mir meine Stiefel wegzunehmen, erwartet<br />

hatte. Und t<strong>ro</strong>tzdem waren wir die Einzigen, die wohl zu dieser Stunde zu Gott<br />

beteten. Die Entdeckung dieser – allerdings so wesentlichen – Gemeinsamkeit<br />

führte dazu, dass ich ihn von da an in einem anderen Lichte sah und mich ihm<br />

gegenüber anders verhielt.

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