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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 231<br />

Rechenschaft ablegen!“ setzte er mir krächzend und gestikulierend, seinen Stock<br />

schwingend nach, so dass einige der Gefangenen, als sie ihn so aufgeregt<br />

sahen, loslachten und anfingen, Vogelgepfeife nachzuahmen, wobei sie den<br />

Zeigefinger auf das Vogelkästchen mit den Stieglitzen im Kopf deuteten. (Mir war<br />

nach Lachen zumute angesichts der Ähnlichkeit zwischen seiner Revolte gegen<br />

mich und jene der Stadtbürger aus dem Stück gegen die Gräfin und den Bankier,<br />

die ihnen das Fest kaputt gemacht hatten. Ich hatte nicht gefehlt, als ich durch<br />

einen Regietrick die beiden Spezies von Publikum, das Stadtburg- und das<br />

Lagerpublikum, einander gegenüber gesetzt hatte, um sich zu betrachten und<br />

gegenseitig auszulachen.) Ich wandte mich plötzlich um zu P\s\ric\:<br />

„Wie, Herr Oberst, Sie glauben wirklich und allen Ernstes, dass mein Werk<br />

faschistisch ist, weil Gretti ein grünes Kleid hat und von Schlössern in Spanien<br />

träumt (Sie wissen doch, was der Ausdruck «spanische Schlösser» bedeutet)?<br />

Oder weil die drei Hochstapler ungestraft davonkommen? Es gab schon andere<br />

Stücke mit solch einem Ausgang, etwa Gogols Revisor, aber niemand hat ihn als<br />

Faschisten abgestempelt, weil er den betrügerischen Chlestakow, der ein ganzes<br />

Städtchen ausgeplündert hat, straflos entwischen lässt. Ich bin überzeugt davon,<br />

dass Sie zu intelligent sind, um solchen Unsinn zu glauben. Aber Sie tun nur so,<br />

als glaubten Sie ihn, aus Opportunismus, Sie wollen als g<strong>ro</strong>ßer antifaschistischer<br />

Kämpfer erscheinen, um sich einen Platz im Repatriierungszug zu sichern. Ihr<br />

Spiel ist allerdings recht gefährlich. Es ist gefährlich zu behaupten, dass all jene,<br />

welche der «Operette! Beifall gespendet haben, Faschisten oder naiv waren,<br />

von mir an der Nase herumgeführt worden sind, solange auch Gristschuk und<br />

der gesamte Generalstab und Terle]chi sowie alle eingeladenen NKVD-Männer<br />

Beifall geklatscht haben, ganz zu schweigen vom gesamten Krankenhaus- und<br />

dem Lagerpersonal überhaupt, alle haben vom Klatschen <strong>ro</strong>te Hände<br />

bekommen. Ich weiß nicht, wie denn Gristschuk und alle anderen reagieren<br />

würden, erführen sie, dass sie von einem gefangenen Oberst E. als Faschisten<br />

oder als Opfer der eigenen Naivität abgestempelt worden sind. Ich glaube, mich<br />

recht klar darüber ausgedrückt zu haben, welches die Perspektiven sind, die sich<br />

Ihnen eröffnen, wenn Sie fortfahren, alle Beifallspender der «Operette! als<br />

«Faschisten! oder «Opfer! bezeichnen. Ich habe die Ehre.“<br />

Ich ließ ihn mit offenem Mund stehen und ging zu einer Gruppe von<br />

Freunden aus anderen Schlafsälen, darunter sich auch C<strong>ro</strong>co]oiu und Fonea<br />

befanden.<br />

„Was wollte denn P\s\ric\ von dir?“, fragten mich die Jungs.<br />

„Er wollte die Leute gegen mich aufwiegeln, um mich zu lynchen, weil ich<br />

ihnen die Repatriierung vermasselt habe.“<br />

„Haben wir gehört. Unseren Glückwunsch! Der Basar konnte kein<br />

passenderes Ende haben als seine gesetzliche Verbietung. Natürlich nach ihrem<br />

«Gesetz!, dem «schiefen und verbogenen!.“<br />

Am Abend, als ich im Bett lag, ließ ich die Tagesereignisse und all dies<br />

Brennen bis zum Verglühen bei den allabendlichen Vorstellungen ohne auch nur<br />

einen Tag Pause in der vergangenen Woche Revue passieren. Nun verstand ich,<br />

warum Major Popescu es abgelehnt hatte, uns einen Ruhetag zu gewähren.<br />

Wahrscheinlich hatte er etwas mitbekommen von der Kabale, die gegen das

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