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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 356<br />

94. Die Ungarn und ihr Hungerstreik<br />

Bald nahmen wir Beziehungen zu den ungarischen Offizieren auf. In erster<br />

Linie versuchten wir, die vier zu finden, die uns in der ersten Nacht ihre<br />

Solidaritätsgaben in den Isolator gebracht hatten, davon sich für unseren Kampf<br />

mit der Kälte vor allem die beiden Handwerkzeuge, die Axt und die Bauchsäge,<br />

von unschätzbarem Wert erweisen sollten. Mit Pfarrer Balogh verständigte ich<br />

mich auf Italienisch, mit Miller auf Französisch, mit Mezzey, dem Jüngsten von<br />

ihnen, auf Deutsch, und mit dem anderen Balogh, dem aus Siebenbürgen, gar<br />

auf Rumänisch. Nicht nur sie, sondern alle ungarischen Offiziere, ausgenommen<br />

die Antifaschisten, hatten mit g<strong>ro</strong>ßem Interesse unseren Kampf verfolgt, durch<br />

den wir das Joch der Zwangsarbeit abzuwerfen versuchten, besonders unseren<br />

Hungerstreik, war doch unsere Sache auch die ihre, und unser Sieg stellte auch<br />

für sie die Perspektive des Ausbruchs aus der „sklavischen“ Arbeit dar. Ermutigt<br />

von unserem Erfolg, lauerten sie nun einer passenden Gelegenheit auf, um<br />

selber auch aktiv zu werden. Und die kam, als eines Tages zwei ungarische<br />

Offiziere aus dem Lager geholt wurden, um die Latrine zu leeren. Die Offiziere<br />

verweigerten die Arbeit. Der Gardekommandant wurde wütend, zog die Pistole –<br />

er war wohl auch betrunken – und wiederholte den Befehl. Als die beiden erneut<br />

die Ausführung ablehnten, entleerte die Bestie das Magazin in ihre Leiber. Sie<br />

waren auf der Stelle tot. (Wie wenig doch ein Menschenleben für diese<br />

Humanisten darstellte!) Dieser Szene hatten auch ein paar österreichische<br />

Offiziere beigewohnt. Sie füllten das Lager mit der Nachricht von der<br />

Schreckenstat, welche Empörung und Revolte hervorrief, insbesondere,<br />

natürlich, im Herzen der Ungarn. Mit unserem frischen Exempel vor Augen und<br />

zum Zeichen des P<strong>ro</strong>tests verweigerten diese nun auch die Arbeit, indem sie<br />

darauf hinwiesen, dass ihr Leben jenseits des Stacheldrahts nicht mehr in<br />

Sicherheit sei. Was ja auch stimmte. Mit bekannter Härte holten sich die Sowjets<br />

aus den Reihen der P<strong>ro</strong>testierenden eine Anzahl von so genannten Aufwieglern<br />

und prügelten bei den Verhören wild auf diese ein. Die Bestialität der Repression<br />

jedoch steigerte nur umso mehr die Empörung der Ungarn und sie traten en bloc<br />

in den Hungerstreik. Freilich konnte eine solche emotionell-spontane Aktion ohne<br />

jegliche Vorbereitung und ohne ein Minimum an Strategie (etwa den Ausschluss<br />

davon all jener mit prekärer Gesundheitslage) keinen Erfolg haben. Bereits nach<br />

ein paar Tagen des Widerstands wurde es einigen von ihnen schlecht. Davon<br />

beeindruckt, beschlossen die anderen, den Streik aufzugeben. Eine Neuauflage<br />

der Geschichte von Oranki. Genau wie dort zeigte sich die fehlende Erfahrung.<br />

Und genau so wie damals bei uns führte die Bitterkeit der Niederlage auch bei<br />

den Ungarn zu gegenseitigen Vorwürfen und dramatischen Zerwürfnissen. Zu<br />

den glühendsten Radikalen, die eine Fortsetzung des Streiks bis zum äußersten<br />

Risiko wünschten, gehörten die vier Offiziere, welche uns im Isolator aufgesucht<br />

hatten. Sie bezichtigten ihre Landsleute, es fehle ihnen an Mannhaftigkeit und<br />

Würde, und um ihnen eins auszuwischen, nahmen die vier, allen voran Pfarrer<br />

Balogh, ihre Habseligkeiten und zogen demonstrativ zu uns, den Rumänen, um.

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