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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 410<br />

Bürgerkrieg, die sie retteten und in die UdSSR brachten, ins Lager von Oranki<br />

zusammen mit ihren Franco treuen Landsleuten einsperrten? Oder warum sie in<br />

Ländern wie Frankreich, die sie nicht kont<strong>ro</strong>llierten, Kämpfer wie Torez, welche<br />

die kommunistische Résistance angeführt und sich ein persönliches Prestige<br />

erworben hatten, marginalisierten, um an die Parteispitze dubiöse oder mediokre<br />

Leute wie Georges Marchais zu hieven?<br />

Selbstverständlich geht es auch im Falle der Polen möglicherweise um die<br />

Sorge des g<strong>ro</strong>ßen Bruders, es keinem der kleineren Brüder mit Heldendünkel<br />

und Führungsansprüchen zu erlauben, seine Pläne zu durchkreuzen.<br />

Glaubwürdiger aber scheint mir die Erklärung, welche meine Gesprächspartner<br />

aus dem nationalen Lager vorbrachten: Die sichere, gar sofortige Perspektive<br />

der Besiegung der Deutschen durch die Alliierten hatte dazu geführt, dass ins<br />

Lager der p<strong>ro</strong>-sowjetischen Partisanen allerlei Abenteurer letzter Stunde,<br />

entlassene Verbrecher, ehemalige Kollaborateure, die sich zu rehabilitieren<br />

wünschten, überliefen, und alle diese seien so sehr auf Bereicherung und Raub<br />

aus gewesen, dass sie sogar ihre Herren erschreckten. Diese überlegten nicht<br />

lange und steckten auch sie in die Gefangenenlager, welche die Übeltäter dann<br />

mit ihren krummen Sachen auf den Kopf stellten. Sie waren die Schakale,<br />

welche in der ersten Nacht, die wir in den Morschansker Zellen verbrachten, uns<br />

auch das Wenige, was wir noch besaßen, wegstahlen. Aber ihre Imagination<br />

beschränkte sich nicht auf übliche Gaunereien. Sie erfand auch raffinierte<br />

Formen der Geldabluchsung von den Naiven, wie es das Kartenspiel eine war.<br />

Die von Unkraut überwucherten Gruben ehemaliger Erdhütten, die abgerissen<br />

worden waren und etwas abseits lagen, verwandelten sie in Kasinos, wo nachts<br />

Chemin, Baccara und Poker gespielt wurde. Gut gekleidet und höflich wie alle<br />

Hochstapler gaben die ehemaligen Partisanen den C<strong>ro</strong>upier oder den Spieler.<br />

Unser alter und sympathischer Hauptmann Romeo Vasilescu, ein<br />

altmodischer Mann mit vollendeter und obsoleter Höflichkeit á la ancien Régime,<br />

mit seinem nie fehlenden Monokel, lebte die Nostalgie der Kasinos, in denen er,<br />

laut eigenem Geständnis, die Hälfte seines Vermögens verspielt hatte, und stieg,<br />

vom Dämon der Neugier getrieben, eines Abends in ein solches Lokal hinunter,<br />

woher er am Morgen im Hemd, in langen Unterhosen und barfuss wieder<br />

hervorkam.<br />

„Gott hat mich verlassen“, sagte er seufzend zu uns, während er die<br />

Decke über sich zog. „Anfangs hatte ich 200 Rubel gewonnen. Dann begann ich<br />

zu verlieren und verlor und verlor…“<br />

„Und warum bist du denn nicht aufgestanden, als du das Geld in den<br />

Händen hattest?“, fragte ihn Soso C\tuneanu, der sich um ihn wie um ein Kind<br />

kümmerte.<br />

„Meine Güte, aber das wäre ja entgegen aller Manieren gewesen. Wie<br />

hätte ich denn so umgehen können mit Herren wie jenen, mit denen ich spielte?<br />

Gott hat mich verlassen! Da ist nichts mehr zu machen.“<br />

„Nein, dein Verstand hat dich verlassen“, erwiderte wütend sein Fürsorger,<br />

Soso C\tuneanu, der eine halbe Stunde später, nachdem er von uns allen, die<br />

wir Onkel Romeo so gern hatten, Geld eingesammelt hatte, zu den polnischen<br />

Pans ging, um seinen Waffen<strong>ro</strong>ck, die Hosen und die Schnürschuhe

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