04.09.2013 Aufrufe

radu m|rculescu - Memoria.ro

radu m|rculescu - Memoria.ro

radu m|rculescu - Memoria.ro

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 322<br />

Unterbringung der Gefangenen. So zeigte sich uns im blut<strong>ro</strong>ten Licht des Abends<br />

das unheimliche Antlitz dieses Straflagers.<br />

Die Durchsuchung vor dem Lagertor fand in Anwesenheit der Lagerleitung<br />

statt. Kommandant war ein – allerdings – Gardeleutnant, Kocharkin,<br />

stellvertretender Kommandant Hauptmann Ziganow, während Offizier vom<br />

Dienst – ein niedriger Posten halt – ein Major war. Also denn, eine verkehrte<br />

Hierarchie, wo das Amt zählte und nicht der Rang.<br />

Wir wurden bis aufs Blut durchsucht. Alles, was wir in Oranki retten<br />

konnten, wurde uns hier abgenommen. Mehr noch: Auf die Beanstandung, dass<br />

bestimmte uns hier abgenommene Dinge drüben erlaubt waren, erwiderte uns<br />

Ziganow, dass Oranki ein gewöhnliches Lager sei, während Ustschoara, das<br />

man auch noch – fügte er zynisch witzelnd hinzu – Teufelsloch nenne, und dies<br />

nicht unverdient, ein Straflager (Strafnoi lagher) sei, mit Sonderregime. „Hier<br />

befinden sich gefährliche Menschen, SS-Männer, Horthysten. Wir müssen<br />

aufpassen, was für Dinge wir in ihren Händen lassen.“<br />

Die dramatischste Episode jedoch ereignete sich, als man bei Mitic\<br />

B\lan, einem Lehrer aus Ialomi]a 140 , in einem ans Hosenbein genähten Beutel<br />

ein Französischlehrbuch fand. Der Arme hatte sich das Buch in Oranki, nachdem<br />

er wer weiß wie viele B<strong>ro</strong>trationen in Rubel konvertiert hatte, mit Hilfe unserer<br />

Soldaten von den Schulkindern beschafft. Dies Buch bedeutete alles für ihn.<br />

Täglich erledigte er unzählige Male die Übungen daraus.<br />

Unglücklicherweise mit schwachen Resultaten, denn t<strong>ro</strong>tz seiner scharfen<br />

Intelligenz war er ein authentisches Antitalent in Sachen Fremdsprachen.<br />

Nichtsdestot<strong>ro</strong>tz ließ er sich nicht entmutigen und übte fleißig, war doch sein<br />

einziger Traum, seinen Sohn Französisch lehren zu können. Deswegen<br />

widersetzte er sich verbissen gegen die Wegnahme des Buches, es kam fast zu<br />

einem Konflikt. Da griff Ziganow ein und sagte ihm, dass die Sonde<strong>ro</strong>rdnung des<br />

Lagers es den Gefangenen verbot, Bücher bei sich zu haben. Worauf Mitic\<br />

erwiderte, er sei sprachlos, dass im gebildetsten und zivilisiertesten Land der<br />

Welt ein Gefangener nicht das Recht besitze, ein Französischlehrbuch bei sich<br />

zu haben. Schließlich musste er sich jedoch fügen. Aber die Geschichte endete<br />

damit noch nicht. B\lan war nicht der Mann, der mir nichts, dir nichts resignierte.<br />

Nachdem wir die Durchsuchung hinter uns hatten, gingen wir durch das<br />

Tor des Teufellochs, und nach einem Aufenthalt im Bade- und im T<strong>ro</strong>ckenraum,<br />

gestattete man uns endlich, in das Elend der Quarantäneerdhütten einzutreten<br />

und uns auf den Doppelstockbetten eine Schlafstatt zurechtzumachen. Aber<br />

kaum waren wir nach einem derart schweren Tag eingeschlafen, als uns auch<br />

schon eine Wanzeninvasion weckte, und als Draufgabe erfreuten wir uns der<br />

Spezialität des Hauses, der Flöhe. Die Quarantänewanzen, deren Bäuche ihnen<br />

vor Leere am Rückgrat klebten nach all dem langen Warten, stürzten sich<br />

gefräßig auf uns, um sich mit Blut voll zu tanken, und die Flöhe sprangen<br />

frenetisch auf uns herum und tätowierten unsere Haut mit einer phantasievollen<br />

Graphik aus <strong>ro</strong>ten Punkten. Wir kämpften ohne Chance gegen diese winzigen<br />

Bestien, bis wir mit Blutstreifen im Gesicht und voller brennender Bisse<br />

140 Kreis in Südrumänien, mit der Kreishauptstadt Slobozia.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!