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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 224<br />

Die Premiere fand an einem Sonntag, am 5. Februar 1945, statt. Der<br />

P<strong>ro</strong>log erwischte uns alle drei im Gasthof „Zur kühlen Laube“ im fahlen Licht des<br />

Morgengrauens nach einer durchzechten Nacht. Bis die Ouvertüre erklingen<br />

sollte, musterte ich durch das „Auge“ des Vorhangs den Saal. Er war p<strong>ro</strong>ppevoll.<br />

Die Seitengänge und der hintere Teil steckten auch voller Augen. Die<br />

Eingangstüren standen angelweit offen. Man konnte sogar das Treppenhaus voll<br />

gestopft sehen. Die während den P<strong>ro</strong>ben sich aus dem Saal ergießenden<br />

symphonischen oder Opernmusikfragmente hatten die Neugier geweckt und die<br />

Phantasie angeregt, auch jenseits der verschlossenen Türen zu dringen, in den<br />

Saal, wo die ungewöhnlichen und bezaubernden Klänge der klassischen Musik<br />

ihren Ursprung hatten.<br />

In den ersten beiden Reihen saß die gesamte Lagerverwaltung, allen<br />

voran deren Kommandant, Oberst Gristschuk, mit seinem platten, gelben und<br />

t<strong>ro</strong>ckenen Gesicht einer reanimierten Mumie. Neben ihm der Lagerstarsch, Major<br />

Popescu. Daneben verschiedene NKVD-ler – zum Teil waren es Gäste aus<br />

anderen Ortschaften – (wie würden sie die Vorstellung denn aufnehmen, fragte<br />

ich mich bange) – dann die Ärztinnen Ana Pawlowa und die gute, ergebene<br />

Wassiljewna, die Tatarin, sowie auch die kleine Ana Ana Sergeewna, die ihre<br />

Aufregung verbarg, indem sie ihre Stupsnase ins P<strong>ro</strong>gramm vertiefte. (Sie durfte<br />

Rampenfieber haben, denn als Kunstnatschalnika hatte sie sich recht stark für<br />

das Schauspiel engagiert.) Neben ihr saß Terle]chi, der wohl gekommen war, um<br />

zu sehen, wie viele Botschaften ich denn durch mein Stück an die Arbeiterklasse<br />

richtete. Ich hatte auch ihm eine Aufgabe gegeben. Dahinter, in der dritten und<br />

vierten Reihe, saßen Krankenschwestern, die Natschalniks, die Offiziere vom<br />

Dienst, die Gardekommandanten. Als eingeladene Gäste folgten die deutschen<br />

und österreichischen Offiziere, und hinter diesen befand sich die frenetische<br />

Masse der rumänischen Offiziere. Den Nichtrumänen waren P<strong>ro</strong>gramme in ihren<br />

jeweiligen Sprachen ausgehändigt worden, die von Sandu Cump\t\ (der schon<br />

damals das zu werden versprach, was er letztlich auch wurde: ein feinfühliger<br />

Maler voller Phantasie) mit Talent und Imagination illustriert worden waren.<br />

Im Orchesterraum, stimmten die Musiker ihre Instrumente mit den für<br />

dieses Ritual üblichen Klängen, Ritual welches für mich stets einen Zustand der<br />

Erwartung und der Ungeduld bedeutete. Schließlich trat, im schwarzen Anzug<br />

eines deutschen Panze<strong>ro</strong>ffiziers, mit gestärktem Kragen und weißer Fliege, mit<br />

verschwitztem, <strong>ro</strong>tem Gesicht und unter dem Beifall des Saales, der Dirigent,<br />

Meister Lambie Papadopol, ans Pult. Er hob den Stab und auf sein Zeichen hin<br />

startete das Orchester einen Galopp im zunehmend anschwellenden Takt einiger<br />

Themen aus der Ouvertüre zum Barbier von Sevilla. Unmerklich fand dann der<br />

Übergang zu einer anderen Ouvertüre statt (Marta, von Flotow), woraufhin ein<br />

Moment der Ruhe und Träumerei nötig schien und man zum g<strong>ro</strong>ßzügigen Thema<br />

des Kusses aus Verdis Othello überging, wodurch Giacomo Eulalia die<br />

Leidenschaft für das Theater einhauchen sollte, und daraufhin kam ein Thema<br />

aus Amb<strong>ro</strong>ise Thomas’ Mignon an die Reihe, womit der zweite Verführer, Don<br />

Alfonso, Grettis Nostalgie nach einem Traumland an südländischen Gestaden<br />

wecken sollte. Schließlich fand die Ouvertüre, nach einigen Schubertschen<br />

Abstechern (Das Dreimäderlhaus – der Geburtsort des Johannes – und die

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