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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 260<br />

67. EINE GEFÄHRLICHE WEIGERUNG<br />

Dies war mein seelisches Befinden, als ich eine Vorladung zum<br />

Kommissariat bekam. Auf dem Weg dahin beschäftigte mich eine Frage: Was<br />

hat man mir den vorzuwerfen, warum werde ich vor die „Hohe Pforte“ bestellt?<br />

Und ich suchte nach den kritischen Punkten, die man mir hätte ankreiden<br />

können. Als ich das gefürchtete Bü<strong>ro</strong> erreichte, empfing mich nicht Terle]chi,<br />

sondern seine Stellvertreterin, die g<strong>ro</strong>ße und schöne Tamara. Ja, wirklich, g<strong>ro</strong>ß<br />

und schön war diese Frau.<br />

Mit eng anliegendem Kleid sah ihr Leib wie ein Sack voll Wassermelonen<br />

aus, aus dem sich jeden Moment eine Lawine von Brüsten, Hinterbacken, Hüften<br />

oder Oberschenkeln ergießen konnte. Sie bot mir lächelnd einen Platz an.<br />

„Die Kulturgruppe“, begann sie, „hat beschlossen, und wir waren<br />

einverstanden, ein kurzes Bühnenstück von Tschechow, Der Bär, aufzuführen.<br />

(Also das war es, überlegte ich erleichtert. Gut, dass es nicht um mehr geht!)<br />

Und wir haben uns gedacht“, fuhr sie fort, „Ihnen die Regie dieses Schauspiels<br />

anzuvertrauen, überzeugt davon, dass Sie daraus einen g<strong>ro</strong>ßen Erfolg machen<br />

werden“, unterstrich sie letztlich mit einem bezaubernden Lächeln. Ihrem Tonfall<br />

war zu entnehmen, dass sie wohl erwartete, dass ich über diesen (so graziös<br />

vorgetragenen) Vorschlag vor Glück in Ohnmacht fallen würde und nicht wusste,<br />

wie ich nun meine Dankbarkeit kundtun könnte. Zu ihrer Enttäuschung aber fand<br />

ich es anstelle einer solchen Reaktion als passender, mich in ein vorsichtiges<br />

Schweigen zu hüllen.<br />

Tatsächlich, Tschechows Kurzstück Der Bär – das ich gelesen hatte – gab<br />

eine gute Vorlage für eine gelungene komische Aufführung her. Da aber erst vor<br />

ein paar Tagen zwei unserer Kameraden – „Elfenbein“-Schlepper – blutig<br />

geschlagen durch das Lagertor geschritten waren, konnten wir denn da, ich und<br />

meine Jungs, auf der Bühne herumgrinsen?<br />

„Ihr Vorschlag ehrt mich“, brach ich das Schweigen, „aber leider hat der<br />

hiesige Esssaal, wo wir Theater spielen würden, nichts mit einem<br />

Vorstellungsraum gemein. Wie könnten wir denn auf einer an sich schon kleinen<br />

Bühne auftreten, in deren Mitte dazu noch wie eine Baumstange ein riesiger<br />

Pfosten steht, der das gesamte Dachgerüst dieser Hütte abstützt und der jedem<br />

Schauspieler im Weg stehen wird? Es tut mir leid, aber unter solchen<br />

Bedingungen ist jedes Schauspiel, so gut es auch vorbereitet worden ist, zum<br />

Scheitern verurteilt. Sollte jemand anderer Meinung sein, so steht es ihm frei, es<br />

auszup<strong>ro</strong>bieren. Ich einer entsage.“<br />

Da alle Versuche Tamaras, mich umzustimmen, erfolglos blieben, sah sie<br />

sich letztlich gezwungen, mich zu entlassen, aber nicht bevor eine Wolke der<br />

Unzufriedenheit ihr schönes Antlitz einer üppigen Puppe verdunkelte.<br />

Ich kehrte in unsere Baracke zurück und erzählte das Gespräch all jenen,<br />

die neugierig zu meinem Pritschenplatz kamen. Darunter befanden sich auch<br />

Leute aus meiner ehemaligen Theatertruppe, allen voran Petric\ Ilie, die meine<br />

Entscheidung begrüßten. Es waren dabei auch welche, wenn auch wenige, die

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