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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 235<br />

müden Heller wert!“ 113 (zu einem Haydnquartett). Dieser sollte stets die<br />

regelmäßig für uns stattfindende Lektüre von Artikeln aus der Prawda begleiten,<br />

vor allem dann, wenn es um die Garantien ging, die Moskau Rumänien und<br />

anderen besetzten osteu<strong>ro</strong>päischen Länder versprach. Ganz zu schweigen von<br />

den Bruchstücken aus den Opernarien, aus den Chören, den instrumentalen<br />

Themen, die man überall und zu jeder Stunde hören konnte. Der von der Bühne<br />

verbannte Basar setzte ungestört sein eigenes Leben im Herzen des Lagers fort,<br />

wo er eine zusätzliche Anziehungskraft, nämlich jene der verbotenen Frucht,<br />

erhalten hatte.<br />

Nachdem ich die Theaterbrigade verließ, kehrte ich dorthin zurück, wo ich<br />

vor der Versuchung durch Thalia und Eutherpe tätig war, nämlich zur<br />

„Brettschneidebrigade“, die mich mit der Freude des Vaters aus dem<br />

evangelischen Gleichnis, der seinen verlorenen Sohn findet, wieder aufnahm.<br />

Brigadeleiter war mein Freund Tase T\lp\[eanu, ein aktiver Kavallerieoffizier und<br />

g<strong>ro</strong>ßer Sportler (er war der Kapitän der Fußballmannschaft). Da er von seinem<br />

Vater, ein Theaterkünstler, einiges vom Schauspielerischen geerbt hatte, hatte<br />

ich dies in meinem Stück genutzt und ihm die Rolle des italienischen Bankiers<br />

anvertraut, eine Aufgabe, die er perfekt meisterte. Die Brigade arbeitete im<br />

Lager. Die Arbeit in der f<strong>ro</strong>stigen Winterluft war schwer, aber gesund, dazu<br />

besser entlohnt. Mit Hilfe der Mannschaftskollegen erlangte ich nach und nach<br />

meinen vom höllischen Rhythmus des Theaterlebens und der schlaflosen Nächte<br />

gestörten Lebenstonus wieder, sowie auch die Seelenruhe, die vom Schock der<br />

Absetzung des Stückes und von der Enttäuschung über einen Teil des<br />

Publikums getrübt worden war.<br />

Es ging dem Frühling zu, und die Lebensbedingungen, anstatt sich zu<br />

verbessern, wie es doch normal gewesen wäre – schließlich näherte sich die<br />

Repatriierung! – verschlechterten sich zusehends, vor allem, was das Verhalten<br />

der Gardesoldaten gegenüber den Offizieren betraf, die außerhalb des Lagers<br />

arbeiten mussten. Die Tschassowojs benahmen sich wilder und aggressiver<br />

denn je. Es gab Konflikte am laufenden Band, die mit Schlägereien,<br />

Verwundungen und Karzer endeten. Es war eine beabsichtigte Gewaltwelle,<br />

denn jene, welche sie aus ihren Bü<strong>ro</strong>s angeleitet hatten, verfolgten nichts<br />

anderes, als uns klar zu machen, dass Yalta bloß heiße Luft war, dass die<br />

Alliierten, auf die wir all unsere Hoffnungen gesetzt hatten, nichts als ein Haufen<br />

von Mamelucken waren, welche von den Russen wie gewöhnlich nach Belieben<br />

an der Nase herumgeführt wurden, und dass sie so sehr Herr der Lage waren,<br />

dass sie sich keinen Deut um die Menschenrechte und die internationalen<br />

Verpflichtungen scherten, die sie unterzeichnet hatten und die wir immer wieder<br />

anführten. Desgleichen teilten sie uns durch diese aparte Sprache noch mit, uns<br />

endlich aus dem Kopf zu schlagen, dass der Westen für uns eingreifen könnte,<br />

und uns dessen bewusst zu werden, dass wir auf Yalta an sie verkauft worden<br />

waren, dass sie und nur sie über unser Schicksal verfügten, und wenn wir nicht<br />

wollten, dass unsere Knochen in den Kotlowans der Lager verfaulten, war es an<br />

der Zeit, Vernunft anzunehmen und nach ihrer Musik zu tanzen. Ansonsten<br />

würden wir nie heimkehren. Als die bolschewistische Macht ihrer sicher war,<br />

113 Im Orig.: „Garan"iile morale / Nu fac nici dou! parale!”

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