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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 311<br />

„Raus damit, was dir Apostolache gegeben hat!“, forderte Nae ihn auf.<br />

Anghelide wand sich: „Ja wie, ja was…“. Da griff Nae ihm mit einer Hand an die<br />

Gurgel und hob die andere d<strong>ro</strong>hend zum Schlag.<br />

„Raus damit, du Nichtsnutz, raus mit dem Zettel! Falls du es nicht etwa<br />

vorziehst, dass deine Brille bis auf den Tisch des Kommissars fliegt.“<br />

„Halt doch ein, Kumpel, hau mich doch nicht! Bitte!“<br />

Die beiden lasen das Billet beim Lichte eines Scheinwerfers, dann<br />

schlichen sie am dösenden Tschassowoj vorbei zurück in die Baracke, wo wir<br />

uns gerade auf die Nachtruhe vorbereiteten, und baten um Aufmerksamkeit für<br />

eine kurze, aber umso interessantere Lesung. Sie bekamen einstimmig unsere<br />

Einwilligung, und Nae las das Briefchen vor:<br />

„Herr Kommissar, Unterzeichneter, Punkte, Punkte, ich bitte…“<br />

„Was heißt hier Punkte, Punkte?“, regte sich Tr\istaru auf, „sag doch den<br />

Namen, damit wir auch wissen, wer denn der ehrenhafte Korrespondent des<br />

Kommissars ist.“<br />

„Genau. Den Namen, den Namen!“, rief das Volk. „Damit wir auch<br />

erfahren, wer es ist.“<br />

„Habt doch ein bisserl Geduld, meine Verehrten und Ehrenwerten!“,<br />

erwiderte Nae im Stile Caragiales. „Ich bin ja noch nicht bis zur Unterschrift<br />

gelangt.“ Und nahm phlegmatisch die Lektüre wieder auf: „Herr Kommissar,<br />

Unterzeichneter, Punkte, Punkte, ich bitte Sie mit Respekt um Ihr Wohlwollen,<br />

doch zu veranlassen, dass ich von der Liste der für den Abtransport<br />

Vorgesehenen gestrichen werde. Ich versichere Ihnen, dass ich meine<br />

unprinzipiellen öffentlichen Wortmeldungen bei verschiedenen politischen<br />

Versammlungen aufrichtig bereue und dass Sie in Zukunft uneingeschränkt mit<br />

meiner Opferbereitschaft rechnen können. Hochachtungsvoll…“. Hier, vor der<br />

Unterschrift, legte Nae eine effektvolle Pause ein, dann buchstabierte er mit der<br />

Kälte der Klinge einer Guillotine im Nacken eines Hingerichteten den Namen des<br />

Verruchten.<br />

„Ma-jor A-pos-to-la-che.“ Ein zutiefst bestürztes Schweigen folgte der<br />

Enthüllung dieses Namens. Jeden anderen fast hätten wir erwartet, aber nicht<br />

den dieses vehement antikommunistischen Redners und unbarmherzigen<br />

Kritikers jeglicher politischer Komp<strong>ro</strong>misse. Das Schweigen ging in Aufruhr, dann<br />

in Getöse über. Leichenblass ließ der Entlarvte seinen Kopf auf die Brust sinken<br />

und ging wortlos aus dem Schlafraum.<br />

Ich muss gestehen, dass ich, obschon seine Wortmeldungen bei den<br />

politischen Versammlungen, deren Virulenz ihm sogar Karzertage und den<br />

Glorienschein eines Märtyrers eingebracht hatten, selbstverständlich mit meinen<br />

eigenen Ansichten übereinstimmten, dennoch nie irgendwelche Sympathie für<br />

diese Person aufbringen konnte. Ich spürte, dass sich hinter dem patriotischen<br />

Auftritt eine Fanfa<strong>ro</strong>nade versteckte und dass die G<strong>ro</strong>ßtuerei eine theatralische<br />

und opportunistische war. Zum Beweis dafür machte Apostolache nach dem 23.<br />

August, als klar ersichtlich war, was mit unserem Land geschehen würde, den<br />

Mund nicht mehr auf. Es war aber zu spät. Die Sowjets hatten seine dick<br />

patriotischen Buffonerien ernst genommen und ihn auf die schwarze Liste<br />

gesetzt. Nun, kurz vor dem Aufbruch ins bed<strong>ro</strong>hliche Unbekannte, hatten ihn<br />

seine eigenen Prahlereien erschreckt, und er versuchte durch Selbstaufgabe

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