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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 361<br />

aus und erfreute sich bis an sein Lebensende der Früchte seines Paktes mit dem<br />

Unbruder, aber die Akte schwebte unentwegt über seinem Haupte und mag auch<br />

jetzt noch irgendwo im Regal eines Geheimarchivs verstauben. So also ergänzte<br />

sich die Presselektüre lehrreich mit den Daten der unmittelbaren Wirklichkeit.<br />

In dieser Hinsicht will ich auch den Epilog zum Fall von Schubert<br />

festhalten.<br />

In den ersten Februartagen wurde von Schubert mitsamt seinem Gepäck<br />

und zusammen mit ein paar weiteren deutschen Offizieren ans Tor gebracht.<br />

Kaum dass ich Zeit hatte, ihm die Hand zu drücken, ihm zu danken für alles, was<br />

er für das Gelingen unserer Sache getan hatte, und ihn zu ermutigen angesichts<br />

des Leids, das ihn erwartete und das ich vorausahnte, als man uns Ende Mai<br />

aus der Iswestija einen Artikel über den P<strong>ro</strong>zess einer Gruppe von SS-Offizieren,<br />

von Kriegsverbrechern, vorlas, darunter sich auch von Schubert befand. Der<br />

P<strong>ro</strong>zess fand irgendwo in einem baltischen Staat statt. Der Artikel umfasste die<br />

Anklage, das Urteil (die Verurteilung aller zum Tode durch Erschießen) und die<br />

Mitteilung, dass das Urteil vollstreckt worden war. Die inkriminierte Tat war<br />

Verbrechen gegen die Menschheit, bestehend aus Repressalien gegen die<br />

friedliche Zivilbevölkerung, die ihr legitimes Recht auf Verteidigung gegen den<br />

hitleristischen Aggressor wahrgenommen hatte. (Das legitime Recht auf<br />

Verteidigung – stellten wir fest – wurde aber nicht auch dem hinterrücks von der<br />

friedlichen Zivilbevölkerung, ein Euphemismus für schwer bewaffnete<br />

Partisaneneinheiten, Angegriffenen zuerkannt.) Der arme von Schubert! Sollte er<br />

denn der sadistische Mörder von Zivilisten gewesen sein, so wie ihn die Iswestija<br />

darstellte, oder ein einfacher Soldat, der sich gegen die Angriffe aus dem<br />

Hinterhalt gewehrt hatte, so gut er es eben konnte? Die Wahrheit könnte bloß<br />

noch in den Archiven des NKWD gefunden werden. Wie dem auch sei, uns<br />

gegenüber hatte er sich loyal verhalten und der Lagerleitung bloß das mitgeteilt,<br />

was wir wünschten, dass sie von uns erfuhr oder glaubte. Er ruhe sanft! Und die<br />

Walküren mögen seine Seele in seine Walhalla geleiten!<br />

Desgleichen aus der Iswestija erfuhren wir auch von dem berühmten<br />

Friedensvertrag zwischen uns und den Vereinten Nationen, abgeschlossen am<br />

10. Februar 1947 in Paris. Als wir zu dem uns interessierenden 20. Kapitel<br />

gelangten, in dem es um die Repatriierung der Kriegsgefangenen ging, waren wir<br />

erst einmal sprachlos angesichts der juridischen Oberflächlichkeit, die in dessen<br />

Formulierung zutage trat. Das Repatriierungsdatum, also Jahr, Monat, Tag,<br />

wurde mit einer vagen, schwammigen Formulierung umgangen: Die<br />

Repatriierung der Gefangenen wird kak moschna skerej (so schnell wie<br />

möglich) stattfinden.<br />

Als sie diese Abwegigkeit vernahmen, versammelten sich rings um den<br />

Periwotschik alle Rechtsanwälte unserer Gruppe, um mit eigenen Augen diesen<br />

Unsinn in der Zeitung zu sehen: Tr\istaru, Ispas, Cojocaru, Clonaru und Vonica.<br />

Und alle fragten sich das, was Alecu Tr\istaru mit der ihm eigenen logischen<br />

Strenge und Eindrücklichkeit am besten ausformulierte:<br />

„Was waren das für Juristen, welche diesen Artikel verfasst haben? Mir<br />

geht es nicht um die sowjetischen, die ja notorisch böswillig und daran<br />

interessiert sind, uns so lange wie nur irgend möglich versklavt zu halten, und<br />

auch nicht um die rumänischen, die sich von den Sowjets unterwürfig

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