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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 150
Damals und auch später ermöglichten es uns die mit der Verwaltung geführten
Diskussionen über die Missachtung der internationalen Gesetze, die es zum
Schutze der Gefangenen gab, festzustellen, welch riesige Bedeutung der Befehl
(Prikas) für die Sowjets hatte und wie gering das Gesetz (Sakon) galt. Kein
Wunder. Der Vorrang des Gesetzes vor dem Befehl ist eine Errungenschaft der
Demokratie, in der wir fast ein Jahrhundert gelebt hatten, sie aber bloß ein
halbes Jahr (1917). Vor diesem schicksalhaften Datum regierte die zaristische
Autokratie das Volk per Ukas, danach der totalitäre Bolschewismus per Prikas.
Woher auch sollte der gewöhnliche Mensch dieser immensen Bevölkerung ein
Gefühl, den Respekt, wenn nicht gar die Leidenschaft für das Gesetz als
Ausdruck des nationalen Willens haben, wofür Europa sein Blut vergossen
hatte? Deswegen glichen unsere Diskussionen mit ihnen über die Rechte, die
das Gesetz uns, den Gefangenen zusicherte, einem Dialog unter Gehörlosen.
„Das mag ja so drin stehen, wie ihr behauptet, in euren Gesetzen“, sagte
dieser oder jener Lagerkommandant, „aber in meinem Befehl steht’s anders. Und
mir wird keiner den Kopf abschneiden, wenn ich irgendeinen Artikel aus euren
Gesetzen, die gerade mal für die Gerichtsschreiber gut sind, nicht beachte. Ich
bin ein Militär, und wenn ich den Befehl nicht respektiere, ist’s aus mit mir.“
Gemäß seiner Logik hatte er ja Recht. In ihrem bis zum Äußersten
zentralistischen Reich, das mit Befehle von oben nach unten und mit Rapporten
von unten nach oben funktioniert, ist der Befehl alles, und nicht das Gesetz.
Sogar in den banalsten Gesetzesanwendungen greift der Befehl nuancierend ein
und passt das Gesetz besser an die Interessen der Arbeiterklasse, das höchste
Rechtskriterium, an. Von einem Befehl aber, der aufgehoben wurde, weil er nicht
gesetzeskonform war, davon hat man in der UdSSR nicht gehört.