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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 241<br />

Allein, am Ende der Vorstellung ereignete sich, nachdem der Vorhang<br />

zuging, etwas Unerwartetes. Das Beifallsrauschen wurde von Wortmeldungen<br />

gestört, die in dem Maße anschwollen und besser zu verstehen waren, als der<br />

Applaus verebbte – dies zur Verblüffung Terle]chis und jener, die ihm zur Seite<br />

saßen. Was riefen denn die Männer (unter denen man Alecu Cosma, den<br />

Schmied, und seinen Gehilfen Uranus sehen konnte)? Nichts anderes als „der<br />

Schuldige soll gerichtet werden“. „Richtet den Schuldigen! Verurteilt den<br />

Schuldigen!“, begann die Galerie zu rufen. Die Anspielung auf das Basar-Ende<br />

war eindeutig. Terle]chi sah mich verdutzt an. P<strong>ro</strong>mpt setzte ich eine<br />

konsternierte Miene auf. Nein, egal wie misstrauisch der Kommunist in ihm denn<br />

auch war, er konnte sich doch nicht vorstellen, dass ein Regisseur sein eigenes<br />

Werk unterminieren und aus freien Stücken seinen Erfolg in einen Sturz<br />

verwandeln könnte.<br />

Und dennoch, so war es, auch wenn der von Alecu Cosma losgetretene<br />

Lärm fürs erste auch für mich eine Überraschung darstellte. Ich hatte völlig<br />

vergessen, was wir vor einigen Monaten zusammen geplant hatten. Das war vor<br />

der berühmten Intervention Ana Sergeewnas im Klub, als ich ihm gestanden<br />

hatte, was für eine Antwort ich dem NKVD-Mann, der meinen Basar verurteilte,<br />

weil ich die Schuldigen ungestraft entkommen ließ, durch Gogols Revisor<br />

gegeben hätte.<br />

„Falls die «Kulturfritzen! meinen Köder mit der Idee, den Revisor zu<br />

inszenieren, schlucken, na dann, Freund Alecu, sollen, sowie der Vorhang fällt,<br />

ein paar resolute Jungs lauthals und mit Nachdruck die Bestrafung des<br />

Schuldigen fordern.“<br />

„Abgemacht, Kumpel. Gebe nur Gott ihnen ein, den Revisor auf die Bühne<br />

zu bringen, und den Rest besorge ich!“<br />

Unterdessen aber hatten die Dinge eine andere Entwicklung genommen,<br />

und nicht die Kulturfritzen hatten den Revisor inszeniert, sondern ich. Und ich<br />

hatte diese Idee vergessen, aber nicht auch Cosma, der „Gentilhomme<br />

cambrioleur“, der zum gegebenen Zeitpunkt die Bombe explodieren ließ.<br />

Nachdem der Lärm aufhörte und die Zuschauer sich zerstreuten, kam<br />

Petric\ Ilie zu mir, um mich zu beglückwünschen, vor allem aber, um mich zu<br />

fragen, ob der Skandal am Ende denn auch aus meiner Hand stammte.<br />

„Natürlich“, antwortete ich.<br />

„Ich wusste es“, erwiderte er. „Du hast aber Stil, Mann, ohne Witz! Bis zu<br />

dir habe ich noch von keinem Regisseur gehört, der Selbstsabotage übt.“<br />

Vielleicht, überlegte ich nach jenem „Verurteilt den Schul-di-gen!!“ am<br />

Schluss der Vorstellung, vielleicht existiert t<strong>ro</strong>tzdem ein Zusammenhang<br />

zwischen dem moralischen Ende eines Stückes und der Haltung des Autors<br />

gegenüber der Gesellschaft, in der er lebt und den wahren Werten, welche diese<br />

begründen. Egal wie g<strong>ro</strong>ß das Verbrechen ist, welches das Thema des Stückes<br />

ist, und egal wie g<strong>ro</strong>ß die Anstrengungen sind, um die Gerechtigkeit zum<br />

Triumph zu führen, wenn der Autor im Lot ist, also der Gesellschaftsordnung und<br />

ihren leitenden Einrichtungen die Treue hält, wird er alles daran setzen, um die<br />

Schuldigen vors Gericht zu bringen, damit der Zuschauer befriedigt nach Hause<br />

gehen kann, beruhigt darüber, dass die Institutionen fähig sind, ihn gegenüber<br />

den Übeltätern zu schützen. Dies ist das Happy End von tausenden von Filmen.

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