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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 264<br />

korrekt, aber in seiner Anwendung durch die Sowjets wurde es zu einem<br />

Rasiermesser, das man einem Affen in die Hand gibt. Seine P<strong>ro</strong>zedur<br />

funktionierte so, dass es aus jedem Gefangenen oder ehemaligem Feind, der<br />

unter seine Klinge gelangte, einen klassischen „Kriegsverbrecher” erzielen<br />

konnte. Es reichte aus, dieses bloß zu wollen.<br />

Zuerst die Frage der „Partisanen”. Wie man weiß, gab es seit jeher einen<br />

internationalen juristischen Konsens darüber, im Kriegsfall jegliche Aggression<br />

seitens der Zivilbevölkerung gegen die reguläre feindliche Armee zu verurteilen.<br />

Die so genannten Franktireurs, die aus den Reihen der Zivilisten rekrutiert<br />

wurden und dem Feind in den Rücken fielen, wurden, falls sie denn in<br />

Gefangenschaft gerieten, nicht als Kriegsgefangene betrachtet, sondern als<br />

Franktireurs und gemäß eines von allen Staaten akzeptierten Brauchs durch<br />

Erschießung hingerichtet. Die Sowjets aber hatten von den Alliierten für ihre<br />

„Partisanen“ (im Grunde genommen waschechte „Franktireurs“) nicht nur den<br />

Status einer legitimen Armee erzielt, sondern schafften es sogar, diesen einen<br />

privilegierten Status gegenüber ihren regulären Einheiten zu schaffen. So kam<br />

es, dass man, wurde man f<strong>ro</strong>ntal von sowjetischen Militärs angegriffen, nach<br />

Herzenslust und ohne jede strafrechtliche Verantwortung (für den Fall der<br />

Gefangennahme) auf sie schießen konnte; griffen einen hingegen hinterrücks die<br />

Partisanen an und verteidigte man sich, indem man zurück schoss, waren solche<br />

Aktionen in den Augen der so genannten sowjetischen Justiz Repressalien<br />

gegen die friedliche Zivilbevölkerung (waren sie denn nicht aus den Reihen der<br />

Zivilisten rekrutiert worden?) und wurden als „Kriegsverbrechen“ eingestuft.<br />

Wehe denen unter uns, die den Kommissaren ein Dorn im Auge waren<br />

und das Pech hatten, Einheiten angehört zu haben, welche von Partisanen<br />

angegriffen worden waren! Sie wurden untersucht, verhört, an Ort und Stelle<br />

gebracht, mit lügnerischen Zeugen konf<strong>ro</strong>ntiert und letztendlich gerichtet und<br />

verurteilt. Freilich, war der Betreffende empfindlich genug und ging auf die<br />

Kollaborations-Vorschläge der Macht ein, wurde die P<strong>ro</strong>zedur unterb<strong>ro</strong>chen und<br />

die „antifaschistische“ Bewegung um ein Mitglied reicher. Ich bin nicht so naiv,<br />

um mir vorzustellen, dass es nicht nur inszenierte, sondern auch tatsächliche<br />

Verbrechen gegeben haben mag. In welcher Armee der Welt gibt es denn keine<br />

Schurken, die bei jedem Nachlassen der Wachsamkeit seitens der<br />

Führungsautorität zu Schandtaten oder gar Verbrechen fähig sind? Komisch war<br />

nur, dass es zwar Verbrechen gab, keine Verbrecher jedoch. Die wahren<br />

Verbrecher, fielen sie erst einmal in Gefangenschaft, wussten im Bewusstsein<br />

ihrer Schuld stets, sich bei den Kommissaren – bis zu ihrer Entlarvung – lieb und<br />

als nützliche und effiziente Anwerber und Denunzianten unentbehrlich zu<br />

machen.<br />

Blieben aber auf diese Weise die Verbrechen unaufgedeckt und die Täter<br />

unentdeckt und unbestraft? Gott behüte! Allein, die höhere Staatsräson verlangte<br />

es, dass die Schuld vom Haupt des wahren Täters – der inzwischen dank seiner<br />

Nützlichkeit immun geworden war – auf jenes eines anderen Gefangenen<br />

verschoben wurde, der fast immer ein erbitterter Redaktionär oder Feind der<br />

UdSSR war.<br />

Dass der Verurteilte nicht identisch war mit dem Schuldigen, das war<br />

kaum noch von Bedeutung. Wesentlich war bloß, dass kein Verbrechen ohne

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