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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 483<br />

konnten. So erfuhren wir, dass er zum hochrangigen Kader der rumänischen<br />

Geheimpolizei von Odessa gehört hatte. (Eine Tatsache, die er durch seine<br />

fabulösen Autobiographien, in denen er mit für die Untersuchenden verwirrender<br />

Leichtigkeit aus einer Identität in die andere schlüpfen konnte, geheim zu halten<br />

oder wenigstens deren Aufdeckung hinauszuzögern versuchte.) Die Frau, der<br />

man ihn gegenübergestellt hatte und angesichts der er in Ohnmacht fiel (oder<br />

dies nur simuliert hatte, um Zeit zu gewinnen) muss wohl ein Mitglied seines<br />

Netzes von Spitzeln gewesen sein, die sich inzwischen bekehrt hatte und vom<br />

NKWD benutzt wurde, um ihren vormaligen Chef zu identifizieren und auf diese<br />

Weise auch die anderen Mitglieder des Netzes herauszubekommen. Und auf die<br />

eine Kugel ins Genick wartete. Ja, deswegen war die Entlarvung Sandu Gabriels<br />

eine so gewichtige Angelegenheit, umso mehr als einige dieser Mitglieder<br />

anscheinend, indem sie ihren Status als Partisanen (letzter Stunde, als der Sieg<br />

der Sowjets sicher war) ausnutzten und in der Zwischenzeit hohe Würdenträger<br />

geworden waren, Leute mit weitreichender politischer Macht.<br />

Da er sich in die Enge getrieben wusste, hatte S.G. sich auf die Flucht<br />

vorbereitet, indem er sich in erster Linie Geld (durch das Flechten von<br />

Schuhoberteilen) und Zivilkleider beschaffte. Er habe auch einen<br />

Abenteuergenossen gehabt, den Elektriker des Lagers, den er als Aushilfskraft<br />

bei seinen Inspektionen auf das Dach des Gebäudes begleitete, um die dortigen<br />

elektrischen Überwachungsinstallationen zu überprüfen. Mit dieser Gelegenheit<br />

stellte S.G. fest, dass die Gebäudef<strong>ro</strong>nt zur Straße hin über eine Distanz von<br />

zehn Metern einen 1 Meter breiten Einzug aufwies, der nicht im Blickfeld der<br />

beiden Wachtürme lag. In der so entstandenen rechtwinkligen Nische befand<br />

sich ein Regenabfluss<strong>ro</strong>hr. Wer an diesem hinunterkletterte, konnte von keinem<br />

der beiden Wachposten gesehen werden. Einmal auf dem Gehsteig, musste er<br />

nur einen Augenblick der Unaufmerksamkeit derselben abpassen, um<br />

geschwinde in dem gerade hier die Hauptstraße kreuzenden Gässchen zu<br />

verschwinden.<br />

Die Flucht hatte er für Anfang Juli geplant, aber die unerwartete<br />

Konf<strong>ro</strong>ntierung mit der Frau am Tor zwang ihn, sofort und alleine zu flüchten.<br />

Wie aber war er aufs Dach gelangt? Gleich neben der Eingangstür des<br />

Schlafsaales befand sich eine an der Mauer befestigte metallene<br />

Feuerwehrleiter, die zum Dach führte. Der Rest ist bekannt.<br />

Was er weiter machte, nachdem er die Lagerzone verlassen hatte, und<br />

wie er nach Rumänien gelangte, sollte uns allen unbekannt bleiben, die wir ihm<br />

vom ersten Moment der Flucht an die Daumen drückten.<br />

Aber im Jahre 1961, also 12 Jahre nach diesem Ereignis, auf wen stieß<br />

ich während meinem zweiten „Freiheitsentzug“ im „süßen mioritischen Gulag<br />

meines geliebten Vaterlandes“ im Donaudelta, in Periprava? Auf Sandu Gabriel<br />

in Fleisch und Blut. G<strong>ro</strong>ße Überraschung und Freude. Ich bat ihn, mir die<br />

Geschichte seiner Flucht zu erzählen, wie es denn weiterging, nachdem er am<br />

Regenabluss<strong>ro</strong>hr hinuntergeklettert war. Was er denn auch gerne tat:<br />

„In dem Augenblick, da ich den Fuß auf den Boden setzte, da sah ich<br />

auch schon, wie sich das blendende Scheinwerferlicht eines LKWs näherte. Ich<br />

mimte den Betrunkenen und winkte mit ein paar Rubelscheinen. Der Chauffeur<br />

hielt und nahm mich mit. Ich fragte ihn, wohin er denn fahre. «Zum Bahnhof»,

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