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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 186<br />

48. DIE ALTGEFANGENEN<br />

Ap<strong>ro</strong>pos Altgefangene, bevor ich über sie spreche, möchte ich festhalten,<br />

dass die rumänischen Gefangenen im G<strong>ro</strong>ßen und Ganzen in vier größere<br />

Gruppen geteilt werden können, je nach dem Schicksalsdatum ihrer<br />

Gefangennahme, wobei jede Kategorie im Stadium der Mentalität blockiert blieb,<br />

die sie zur Zeit ihres Falls in die Gefangenheit besaß. Diese Gruppen sind in<br />

etwa folgende:<br />

1. Die im ersten Kriegsjahr in Gefangenschaft Geratenen, also 1941,<br />

größtenteils infolge individueller Aktionen. Dies sind die Alten. Ihre<br />

Gefangennahme war zufällig und ereignete sich während der kräftigen und<br />

siegreichen Volloffensive der deutsch-rumänischen Armeen, also im Kontext der<br />

außergewöhnlich spektakulären Umzingelung von sowjetischen Truppen, die<br />

Millionen von Gefangenen mit sich brachte. Diese Alten betrachteten ihren Fall in<br />

die Gefangenschaft als persönliches Pech; den geringen Widerstand oder die<br />

Verspätungen der Ergebnisse des „Blitzkriegs“ als unbedeutende Episoden<br />

gegenüber dem endgültigen Moment, das nichts anderes als den Sieg bringen<br />

konnte. Dieses blinde Vertrauen auf den „Endsieg“, von dem wir anderen, so wir<br />

nüchtern sein wollten, nur zu gut wussten, dass es nichts als eine mentale<br />

Blockade darstellte, hatte anfangs für uns durchaus eine positive Wirkung, denn<br />

es hob unsere Moral und ließ uns in ihnen, den Alten, den Kern eines ersten<br />

Widerstands finden.<br />

2. Die im zweiten Kriegsjahr, also 1942, infolge der Massenkatast<strong>ro</strong>phe<br />

am Don und in Stalingrad, in Gefangenschaft Gefallenen. Bei keinem von diesen<br />

konnte man mehr von persönlichem Pech sprechen, sondern bloß noch von<br />

einem gemeinsamen Schicksal. Man konnte ohne Übertreibung behaupten, dass<br />

wir, die wir zwischen dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs (1914) und Mitte der<br />

1920er Jahre geboren wurden, die Träger eines tragischen<br />

Generationenschicksals sind. Dies galt nicht nur für unsere Jugend, sondern<br />

auch für jene aller Kombattanten, ob sie nun Verbündete oder Feinde waren. Für<br />

unsere gesamte Generation, welche das Los sans f<strong>ro</strong>ntières hatte, einen Krieg<br />

zu Ende zu führen, den unsere Vorgänger nicht imstande waren, richtig zu<br />

beenden. (Es gab eigentlich keinen zweiten Weltkrieg; es gab nur einen, der 20<br />

Jahre unterb<strong>ro</strong>chen wurde, um mit neuer Kraft wieder aufgenommen zu werden,<br />

und der auf den Schultern unserer Generation wie ein Fluch lastete, der unsere<br />

Jugend und unsere Lebensfreude trübte.) Und all dies nur, weil wir auf die Welt<br />

kamen, als diese eine unheilvolle historische Wende erlebte. Dieses Gefühl<br />

eines tragischen gemeinsamen Schicksals einer Generation hatte sich nach der<br />

Don-Stalingrad-Katast<strong>ro</strong>phe, wenn nicht in unser Bewusstsein, so in unser<br />

Unterbewusstsein eingeschlichen. Die Illusion eines Endsieges konnte nicht<br />

mehr aufrechterhalten werden. Das einzig Wahrhaftige und Logische, worauf<br />

man noch hoffen konnte, war ein Komp<strong>ro</strong>missfrieden. Anders als die Alten, fielen<br />

wir ohne Illusionen, aber immerhin mit einer Hoffnung in Gefangenschaft.

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