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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 455<br />

beizugeben, waren diese doch eher entschlossen, den Tod zu akzeptieren denn<br />

eine Fortsetzung der Gefangenschaft, und durch eigenhändig von ihrem<br />

obersten Chef, General Wladimi<strong>ro</strong>w, unterzeichnete Kommuniqués, die sie in<br />

allen Baracken aushingen, wurde als Enddatum der Repatriierung der 30. Juni<br />

1948 festgelegt.<br />

Ein totaler Sieg. So also endete unser Weg durch die Gefangenschaft, mit<br />

den Golgathas all seiner Leiden und all den Sümpfen der Verzweiflung, dieser<br />

Weg der Demütigungen und der Erniedrigungen, die uns ein primitiver und <strong>ro</strong>her<br />

Sieger, selbst ohne Ehrgefühl, zuteil werden ließ, in der Apotheose eines totalen<br />

Sieges, wodurch wir mit dem Preis unseres Leids und des Lebensrisikos die auf<br />

dem Schlachtfeld verlorene Freiheit wiedergewannen.<br />

*<br />

Unter den rumänischen Offizieren, denen wir in Odessa begegneten,<br />

erinnere ich mich an Niki G<strong>ro</strong>za, ein Altgefangener mit von all den<br />

Schicksalsschlägen gegerbtem Antlitz, ein loses Mundwerk („ich mach aus<br />

meinem Herzen keine Mördergrube“), eine Eigenschaft, die ihm freilich viel Leid<br />

einbrachte.<br />

Ebenso lernte ich dort auch Mircea R\dulescu kennen, den man Quästor<br />

nannte, weil er bei der Polizei gearbeitet hatte. Besser, man hätte ihn Figa<strong>ro</strong><br />

genannt, denn er war ein außergewöhnlicher Nachrichtenkolporteur. Als<br />

kommunikativer Typ mit unerschöpflicher Verve, goldenem Herzen und<br />

hilfsbereit bis zur Aufopferung war er ein wunderbares zwischenmenschliches<br />

Bindemittel. Auch er hatte am Hungerstreik von Oranki teilgenommen, wurde<br />

anschließend hierher verlegt und ergänzte Tase T.s Geschichte mit bedeutenden<br />

Details.<br />

Desgleichen lernte ich Mi[u Orleanu kennen, ein sehr gebildeter und<br />

feinsinniger Mann, mit dem es eine Freude war, über Kunst, Literatur,<br />

Philosophie oder Politik zu diskutieren. Er verfügte nicht nur über sehr viel<br />

Wissen, sondern auch über ein sicheres Urteil, das nicht so sehr auf Vernunft als<br />

auf Intuition gründete. Er hatte lange in Frankreich gelebt, wo er studiert (Jura)<br />

und p<strong>ro</strong>moviert hatte. Da er dort in allerlei legitimistischen Kreisen verkehrte,<br />

hatte er eine Allergie gegen alles, was die Französische Revolution gewesen war<br />

– er sprach ihr jedes Verdienst ab – und auch gegen alles, was sie mit sich<br />

gebracht hatte (den Ursprung der Bolschewistischen Revolution sah er –<br />

vielleicht zu recht – in nuce in der Matrix der Französischen Revolution).<br />

Desgleichen brachte er aus Frankreich auch seine Leidenschaft für den<br />

Monarchismus, für den Legitimismus, für „l’ancien regime“, für die Bourbonen, für<br />

die Vendée mit.<br />

Selbstverständlich sprangen bei den Auseinandersetzungen mit ihm dank<br />

seiner paradoxen und unerhörten Meinungen Funken – zur Genugtuung der<br />

zufälligen Zuhörer. Aber so ungezwungen er auch auf dem Gebiet der Theorie<br />

war, so sehr fehlte es ihm auch an praktischem Sinn für die Anforderungen der<br />

alltäglichen Existenz. Aber in unserer Mitte sollte es ihm nie an nichts fehlen,<br />

gerade so, als müsste er das Sprichwort bestätigen, dass „einem blinden Vogel<br />

Gott das Nest baut“. Und was die Fallen und Schändlichkeiten des Lebens in<br />

dem Äon, in dem zu leben wir bestimmt worden waren, betrifft, so legte er diesen<br />

gegenüber die Unschuld und Friedsamkeit einer „Taube“ (dies was auch unser

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