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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 210<br />

Wir haben alles satt… Besser wir verbringen dieses peinliche Zeitintervall jeder<br />

in sich selbst vertieft, in der Einsamkeit seines eigenen Leids!“<br />

Da fuhr selbst ich aus meiner Haut gefahren und sagte ihnen Folgendes:<br />

„Brüder, gegen wen streikt ihr denn da? Gegen Gott? Gegen wen wollt ihr<br />

denn da p<strong>ro</strong>testieren? Gegen das Jesuskindlein, welches es sich erlaubt hat, zu<br />

einem Zeitpunkt zur Welt zu kommen, da wir verd<strong>ro</strong>ssen sind? Brüder, wenn wir<br />

in uns selber in dieser Stunde nicht wenigstens soviel Freude finden, um Ihn wie<br />

es sich gehört zu empfangen, dann sind wir verloren… verloren und<br />

unwiederbringlich besiegt. Vergeblich haben wir dann bis jetzt gekämpft.<br />

Zwischen dem Licht aus Bethlehem und dem Dunkel des Abgrunds haben wir<br />

keine andere Wahl. Freut euch! Die Freude ist unsere letzte Kampfwaffe.<br />

Schaffen wir es nicht, uns zu freuen in dieser Stunde, dann bedeutet dies, dass<br />

wir kapituliert haben.“ Sie sahen mich an als wäre ich ein Besessener,<br />

schwiegen, aber letztlich verstanden sie mich, und jener Weihnachtsabend war<br />

einer der lichtvollsten und bewegendsten Abende unserer Gefangenschaft.<br />

Aber dies war Weihnachten 1949. Jetzt aber befanden wir uns vor dem<br />

Weihnachtsfest von 1944. Im Sommer hatten wir die Achse verlassen, deren<br />

Mächte vor dem Zusammensturz standen. Dieser schlechte Witz der Geschichte<br />

– der Zweite Weltkrieg – hatte angefangen, schal zu werden. Die Hoffnungen auf<br />

Repatriierung waren berechtigt, und die Versprechungen des<br />

Weihnachtsmannes glaubhaft. Also denn war das Schauspiel wunderbar, und ein<br />

jeder von uns k<strong>ro</strong>ch mit einem Weihnachtslied auf seine Pritsche.

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