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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 258<br />

obsessiv wiederholt wird, so lädt sich bei }ugui das Wort Nowgo<strong>ro</strong>d im Geratter<br />

der Eisenbahnräder bei jeder Wiederholung mit Bösem auf, was die Spannung<br />

im Gedicht bis zum Irrsinn steigert.<br />

Der schwarze Traum ist mehr als das Dokument einer Grenzerfahrung;<br />

die Transfigurationskraft des Autors hebt das Dokument auf das Niveau der<br />

echten Kunst. Ein anderes seiner Gedichte, das in meiner Erinnerung frisch und<br />

genuin weiterlebt, ist Fata din vii (Das Mädchen aus den Weingärten). Dieses<br />

Gedicht, das einige Jahre vor Kriegsbeginn mit kindlicher Grazie geschrieben<br />

worden ist und die Teenagerliebe zwischen Weinranken in einem reichen<br />

Spätherbst zum Thema hat, besitzt eine dem Zauber nahe kommende Kraft der<br />

Inkantation, dank der es sich eigentlich bis auf den heutigen Tag mit all dem<br />

Charme seiner ersten Lektüre in meiner Erinnerung bewahrt hat. Auch Teodor<br />

Dan hatte interessante, ausgefeilte Gedichte, die etwas modernistischer waren,<br />

aber anders als }ugui befürwortete er die „unengagierte“ Poesie. Aber zu jenem<br />

Zeitpunkt führten wir alle einen Kampf auf Leben und Tod, um auch als<br />

moralische, nicht bloß als physische Entitäten zu überleben. Wie hätte denn<br />

unsere Lyrik in jener Stunde unengagiert bleiben können?<br />

Ich könnte dieses Kapitel nicht abschließen, ohne die beiden Dioskuren<br />

der rumänischen Poesie und Musik aus der Orankier Gefangenschaft zu<br />

erwähnen, den Dichter Stefan Cioponea und den Komponisten Stefan Tumurug.<br />

Sie haben die Seele des Lagers mit jener wunderbaren Colinda prizonierului<br />

(Weihnachtslied des Gefangenen) bereichert, das wir alle gehört und uns wie<br />

einen Talisman angeeignet haben. Sei beide waren es auch, die uns die<br />

erschütternde Ballade von jenen, die nicht mehr sind, geschenkt haben und die<br />

wir mit jedem Weggang hinter uns zurücklassen, und aus den kreuzlosen<br />

Gräbern rufen sie uns nach.

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