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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 153
39. DER ERSTE FRÜHLING IN DER KNECHTSCHAFT
Auch der Mai war gekommen, der Schnee geschmolzen und die langen
Tage waren voller Sonne, so dass die von einem hässlichen Winter in Schach
gehaltene Vegetation nun regelrecht explodierte. Die Birke vor meinem Fenster
schien von Sinnen. Am Morgen präsentierte sie mir ihre knospenden Zweige und
am Abend desselben Tages war sie fast schon grün gekleidet. So wie im Theater
in wenigen Minuten das winterliche mit einem frühlingshaften Bühnenbild
ausgetauscht wird, so wohnten auch wir innerhalb von wenigen Tagen diesem
erstaunlich raschen Jahreszeitenwechsel bei. Lenz und Wald verbrüderten sich
durch tausende von Vogelstimmen. Das rauschende Leben des Waldes wühlte
all unsere Vitalkräfte auf. Eine kontinuierliche Euphorie erfasste uns, der sich
kontrapunktisch jedoch die genau so große Nostalgie nach all dem
entgegenstellte, was wir an Liebem weit weg zurückgelassen hatten, in einem
Land, das seine realen Konturen verloren hatte und anfing, eher einem Traum zu
gleichen. All diese schmerzlichen Gefühle waren den Winter über erstarrt
brachgelegen; nun wurden auch sie mit dem auferstehenden Lebensgeist
gewaltsam wieder zum Leben erweckt.
Nun gut, inmitten dieser intensiv erlebten gegensätzlichen
Gemütszustände, ereignete sich, als keiner mehr damit rechnete…