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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 120<br />

„Herr Kommissar“, riss unser Lehrer das Wort an sich, „nehmen Sie’s mir<br />

nicht übel!... Vielleicht sage ich eine Dummheit… Sie erzählen uns von g<strong>ro</strong>ßen<br />

Dingen, vom Vaterland…, von der Errettung des Landes… Aber ich einer kann<br />

Sie vor Hunger kaum sehen…“ Ein zustimmendes Gemurmel, drauf und dran,<br />

anzuschwellen, begleitete die letzten Worte. Der Kommissar spürte, dass die<br />

Partie, an diesem Abend wenigstens, nicht mehr zu gewinnen war und entschied<br />

sich für ein Remis, indem er de Sitzung für beendet erklärte.<br />

Wir erhoben uns erleichtert von unseren Stühlen und verließen den Saal.<br />

Als Codler, gefolgt von seinen Speichelleckern, allen voran Bodiu 64 , der Sohn<br />

Siebenbürgens, zwischen uns durchging, tauchten auch die beiden Männer auf,<br />

die p<strong>ro</strong>grammiert gewesen waren, das Wort zu ergreifen und deren Abwesenheit<br />

den „normalen“ Ablauf der Sitzung komp<strong>ro</strong>mittiert hatte. Codler warf ihnen einen<br />

tödlichen Blick zu und verließ den Saal.<br />

„Euer Zub<strong>ro</strong>t könnt ihr vergessen, ihr Hundsviecher!“, zischte ihnen der<br />

Starsch zu, der selber auch für diese Regiepanne geradezustehen hatte.<br />

„Euretwegen befindet sich das Land weiter unter deutscher Besatzung. Marsch<br />

in den Schlafsaal!“ Als wir aus dem Klub traten, erinnerte ich mich amüsiert<br />

dessen, was einige von uns hier vorzufinden glaubten (eine Las-Vegas-Ecke mit<br />

Pokertischen, Baccara oder Roulette) und worauf sie letztendlich gestoßen<br />

waren (eine Dschungelecke mit Schlangenknäueln, Fangeisen und Fallgruben,<br />

die von der Vegetation hurrapatriotischer und demagogischer Phrasen verdeckt<br />

wurden). „Gott sei Dank, dass keiner von uns in eine dieser Fallen getreten ist!“,<br />

dachte ich bei mir. Das Interessante daran war aber die Tatsache, dass Codlers<br />

Pläne damals nicht infolge eines Aufeinanderstoßens von Prinzipien gescheitert<br />

sind (dies sollte später geschehen), sondern infolge unserer Verschanzung in<br />

einer uneinnehmbaren Festung der Passivität, aus der heraus wir den Belagerer<br />

mit zersetzendem Spott übergossen hatten.<br />

Am gleichen Tage (der letzte der Quarantäne) fand nach dem<br />

Abendessen desgleichen im Klubraum eine Versammlung der anderen<br />

Schlafräume statt. Diesmal funktionierte die Regie selbstverständlich tadellos,<br />

allerdings hatten auch wir unterdessen unsere Kameraden darauf vorbereitet,<br />

was in diesem „Klub“ denn für ein Spiel gespielt wurde, und vor allem, welches<br />

der Einsatz war. So kam es, dass das mit viel Geduld und Schlauheit aus Lügen,<br />

Versprechen, D<strong>ro</strong>hungen und Manipulationen geflochtene Fangnetz, welches die<br />

gesamte Quarantäne einfangen sollte, leer ans Ufer gezogen wurde. Dies<br />

wenigstens war der Stand der Dinge am Ende der Versammlung.<br />

64 Lt. Bodiu ging mit der Tudor-Vladimirescu-Division an die F<strong>ro</strong>nt und geriet in der Schlacht von<br />

Debrecen in deutsche Gefangenschaft. Und so wie er am Donbogen das Megafon verlangte, um die<br />

Rumänen aufzufordern, sich den Russen zu ergeben, forderte er, nunmehr mit dem entsprechenden Reflex<br />

ausgestattet, per Megafon die rumänischen Soldaten erneut auf, sich zu ergeben – diesmal den Deutschen.<br />

Später soll man im Lager gehört haben, I<strong>ro</strong>nie des Schicksals, dass er noch einmal in russische<br />

Gefangenschaft geriet. Allein, diesmal bekam er von den Russen kein Megafon mehr, sondern eine Ladung<br />

Kugeln. (Anm. des Autors)

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