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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 522<br />

Gründung an ihrer Stelle der Miliz (Instrument der Verteidigung des Volkes<br />

gegen die Aggression des Bürgertums), und vorläufig war das gesamte oder fast<br />

das gesamte Personal ersterer in die neue Einrichtung übernommen worden. Die<br />

Säuberungen der alten, nicht mehr entsprechenden Angestellten sollten nach<br />

und nach stattfinden, um letztlich mit „gesunden Elementen“ ersetzt zu werden.<br />

In diesem Kontext ist es nicht verwunderlich, dass Mircea R\dulescu (der<br />

Quästor, wie wir ihn nannten, weil er bei der Polizei gearbeitet hatte) ein paar<br />

Polizisten, mit denen er zu tun hatte, nun in Milizuniformen traf.<br />

Selbstverständlich fanden die Begegnungen mit diesen mit einer Diskretion von<br />

äußerster P<strong>ro</strong>fessionalität statt. Diese Miliz-Polizisten waren von g<strong>ro</strong>ßer Hilfe für<br />

uns, weil wir über sie erfahren konnten, was tatsächlich vor sich ging im Land, in<br />

der wirklichen Welt, dieser unterdrückten und allen Niederträchtigkeiten<br />

ausgesetzten Welt, über die man aus der triumphalistischen Anschauung der<br />

offiziellen Information nichts erfuhr. Auf Mirceas Bitte hin akzeptierte einer von<br />

ihnen, die Familien einiger von uns über unsere Heimkehr zu benachrichtigen.<br />

So konnte auch meine arme Mutter erfahren, dass ich so nahe bei ihr war. Mehr<br />

noch, Mircea überredete ihn, Mutter auch die Manuskripte einiger meiner Poeme<br />

zu bringen, die es mir gelungen war, im Kollektivgedächtnis (dem meinen und<br />

dem einiger Freunde) über die Grenze zu bringen, und die ich nun hier, auf den<br />

Pritschen von Bragadiru hatte rekonstruieren können. So rettete ich: Das Kind<br />

und die Zeit, P<strong>ro</strong>metheus sowie Abendphantasie.<br />

Eine andere Informationsquelle fanden wir bei den deutschen<br />

Deportierten, die aus Russland mit Radios heimgekehrt waren. Natürlich hörte<br />

man offen und tagsüber die rumänischen Sender. Nachts aber ließen sie uns,<br />

angesichts der Korrektheit und Solidarität, welche von jeher dieses Volk<br />

charakterisiert haben und kaum Raum ließen für Denunzianten, mit Kopfhörern<br />

den Sendungen von Radio London sowie anderen Sendern von jenseits des<br />

Eisernen Vorhangs lauschen.<br />

Da waren wir also kaum zurück auf heimatlichem Boden und schon hatten<br />

wir gleich der g<strong>ro</strong>ßen Masse unserer Landsleute damit angefangen, die über den<br />

Äther ausgesandten D<strong>ro</strong>gen einzuatmen.<br />

Es waren lauter belebende, optimistische, Mut und Hoffnung spendende<br />

Nachrichten. Alle drehten sie sich um eine einzige Erwartung, die dermaßen<br />

angewachsen war, dass sie zu einem Mythos, einem nationalen Mythos<br />

geworden war: „Die Amerikaner kommen!“ Ja, das war der Mythos, an dem wir<br />

Rumänen uns einige Jahrzehnte lang berauschten. (Und die Amerikaner<br />

kümmerten unsere Erwartungen nicht im Geringsten.)<br />

So verbrachten wir Winter und Frühjahr des Jahres 1951 voller Trägheit<br />

auf den Pritschen von Bragadiru, drifteten dahin auf den trüben und faulen<br />

Wassern einer toten Zeit, in Erwartung jenes unverhofften Ufers: die<br />

Freilassung. Nichts passierte, alles war blockiert, eingef<strong>ro</strong>ren. Auf all unsere<br />

Fragen antwortete die Verwaltung mit einem Achselzucken. Vor allem die g<strong>ro</strong>ße<br />

Masse der Deportierten, Deutsche oder Rumänen, der Soldaten, all derer, die<br />

das weiße Inferno der sibirischen Lager überlebt hatten, waren an den Rand der<br />

Verzweiflung gelangt.<br />

In der Fastenzeit schließlich wollte es der Herr, dass es zu einem<br />

Aufbruch kam. Man begann, die Inhaftierten gruppenweise nach Hause zu

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