04.09.2013 Aufrufe

radu m|rculescu - Memoria.ro

radu m|rculescu - Memoria.ro

radu m|rculescu - Memoria.ro

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 191<br />

Natürlich gab es unter den Altgefangenen auch noch andere<br />

Persönlichkeiten, die im Laufe meines Erzählens zu gegebenem Zeitpunkt<br />

Erwähnung finden werden. Jetzt möchte ich mit zwei Personen schließen, die<br />

sich im Lager einer gewissen Bekanntheit erfreuten.<br />

Die eine war Loni Teodorescu, ein sympathischer und kommunikativer<br />

Turnlehrer, eine sportliche, fast athletische Erscheinung. Teodorescu war<br />

intelligent und ziemlich belesen, vor allem aber praktisch veranlagt und fähig,<br />

einen aus schwierigen Situationen zu befreien. Er stellte eine belebende,<br />

Optimismus und Mut ausstrahlende Präsenz dar. Als es uns die Ernährung<br />

erlaubte, fester auf unseren Beinen zu stehen, bildete er mit den jüngeren und<br />

kräftigeren Männern eine Fußballmannschaft, mit der er, der auch ihr Kapitän<br />

war, die Teams der anderen Ethnien des Lagers in Grund und Boden spielte –<br />

zur g<strong>ro</strong>ßen Genugtuung unseres Nationalstolzes. Er war ein Star geworden und<br />

erfreute sich dementsprechend der Vorzüge der Stars: der Popularität. Wenn wir<br />

dann noch bedachten, dass seine politische Haltung eine einwandfreie war, kann<br />

man verstehen, warum er sowohl bei den alten, als auch bei den neuen<br />

Gefangenen sich eines solchen Anklangs erfreute. Er galt als einer der<br />

Stützpfeiler des Widerstands – was er damals auch war. Von ihm, aus seiner<br />

Erfahrung hatte ich gelernt, was für eine Taktik ich bei den Verhören anwenden<br />

musste, und seine Lektion hatte mir wunderbar geholfen bei meiner<br />

Auseinandersetzung mit M=]\.<br />

Der zweite Altgefangene, von dem ich hier sprechen möchte, ist Aurel<br />

Lambrino, ein Französischlehrer aus Jassy (Ia[i). Er war etwas älter als ich und<br />

auch als Teodorescu, von dem er sich von Temperament und Stil her stark<br />

unterschied, obgleich sie Freunde waren.<br />

Als ein Verstandesmensch par excellence schien ihm jeglicher Sinn fürs<br />

Praktische abzugehen, und er kam schwer zurecht im Kleinklein des<br />

Alltagslebens. Hingegen verfügte er über eine sehr gute geistige (humanistische)<br />

Bildung und verstand es, interessante Gespräche zu führen, die den Partner zum<br />

Nachdenken anregten. Die Diskussionen waren in der Welt der Bücher und<br />

Autoren angesiedelt, über die er stets originelle Werturteile abzugeben wusste.<br />

Da meine Pritsche mit ihren benachbart war, saßen wir drei jeden Abend nach<br />

dem Zapfenstreich an einem Tischchen bei einem Plausch im Flüsterton, dem<br />

Zischen der anderen Bettnachbarn zum T<strong>ro</strong>tz, bis dann zu Mitternacht die<br />

einzige Birne erlosch und es im Schlafsaal stockdunkel wurde. Dann erst<br />

k<strong>ro</strong>chen wir unter unsere Decken. Auch heute noch erinnere ich mich an jene<br />

Diskussionen, die den Geist auf einem Niveau ansprachen, auf dem das uns<br />

umgebende Elend aufhörte, zu existieren.<br />

Leider aber nahmen diese Geistesübungen ein Ende, denn neue und<br />

seltsame Phänomene schlichen sich in unser Leben infolge der Reaktivierung<br />

jener Mächte des Dunkels, die bis dahin in Wartehaltung verharrt hatten und nun<br />

voller Kraft das okkulte Leben des Lagers in Beschlag nahmen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!