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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 180<br />

mit ihren Denunzierungen; weg waren die Kochsen, die sich vor lauter Fett kaum<br />

mehr bewegen konnten, und die Sanitauren, welche den Sterbenden die<br />

Goldzähne aus dem Mund gerissen und die Eheringe von den noch warmen<br />

Fingern abgestreift hatten. Weg waren auch die Ärzte, welche die Medikamente<br />

nur gegen B<strong>ro</strong>t und Zigaretten handelten, allen voran der lächerliche<br />

Möhrennager, der mir bloß noch zwei Wochen Leben zugesp<strong>ro</strong>chen hatte, weg<br />

waren die Dinosaurier aller Dienstbereiche, all die dicken, fetten, strammen, gut<br />

gekleideten Kerle, die uns mit ihrer Opulenz verhöhnt hatten, weg waren auch<br />

die Diebe, deretwegen man nicht einmal die armselige B<strong>ro</strong>tration auf dem<br />

kleinen Wandregal lassen konnte, weg waren die Denunzianten und Spitzel, die<br />

einem im Dunkel des Abends fast das Ohr in den Mund streckten, um besser zu<br />

hören, was wir sagten, und um etwas weitermelden zu können. Ich könnte nun,<br />

ohne den Widersinn zu strapazieren, behaupten, dass die Division letztendlich<br />

eine wohltuende Wirkung auf uns, die Zurückgebliebenen, hatte, funktionierte sie<br />

doch gleich einem Abdeckerdienst, der aus unserer Mitte allen Abschaum<br />

entfernte, so dass unser Gemeinschaftsleben nach ihrem Abgang qualitativ<br />

besser, erträglicher wurde.<br />

Ich habe dies bereits gesagt, dass ich den manichäischen Geist<br />

verabscheue, wonach alle Bösen mit der Division weggegangen sind und alle<br />

Guten mit uns zurückblieben. Unter denen, die sich für die Division gemeldet<br />

haben, gab es auch anständige Menschen, welche, sei es dank ihrer Schwäche,<br />

sei es, weil sie auf falschem Fuß erwischt wurden (sie hatten während der<br />

Hungersnot den Köder geschluckt), sei es nun, weil sie sich während der<br />

Verhöre hatten einschüchtern lassen oder mit wer weiß welchen galanten<br />

Abenteuern mit Russinnen (die als Vergewaltigungen betrachtet wurden)<br />

erpresst wurden, all diese fanden sich vor einen Karren gespannt wieder, den sie<br />

nun, da sie nicht die moralische Kraft besaßen, das Geschirr abzuwerfen, ohne<br />

jede Hoffnung gezwungen waren voran zu ziehen. Diese Menschen mit noch<br />

nicht korrumpierten Seelen brachen letztlich zu Hause zusammen, als sie<br />

gewissen Prüfungen unterzogen wurden und es nicht vermochten, ihr Gewissen<br />

auszulöschen, um es mit einem neuen Bewusstsein zu ersetzen, welches die<br />

von ihnen erwarteten verbrecherischen Taten gerechtfertigt hätte. Einige von<br />

ihnen suchten einen Ausweg im Freitod, andere wurden ganz einfach<br />

fahnenflüchtig, allen Risiken zum T<strong>ro</strong>tz. Hauptmann Ch., der in der T.-V.-Division<br />

war und in Riazan rausgeschmissen und zurück ins Lager gesandt wurde,<br />

gestand mir viel später folgendes: „Keine Frage, ich war ein Schuft; Beweis dafür<br />

ist die Tatsache, dass ich bis Riazan gelangt bin; aber ich war’s nicht so sehr, um<br />

dort auch bleiben zu können.“<br />

Was all die Guten betrifft, die in unserem Lager geblieben waren: Auch<br />

unter uns gab es noch etliche, die ich liebend gerne im gegnerischen Lager<br />

gewusst hätte, so sehr passten doch ihre Fressen, ihre Mentalität und ihre<br />

Angewohnheiten eher dahin als zu uns. Wie dem auch sei, diese sind auch nicht<br />

lange unter uns geblieben. Früher oder später zeigten sie ihr wahres Gesicht und<br />

gingen dahin, wo sie hingehörten.<br />

Damals aber war dieser geringfügige Misston noch kaum wahrnehmbar,<br />

und die gesamte rumänische Gemeinschaft im Lager atmete erleichtert auf, als<br />

diese Dämonenlegion weg war.

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